Spiel des Lebens 1
dieser Mesmer ist mir auch egal. Zeit, das Thema zu wechseln.
»Sie haben vorhin gesagt, da ist etwas in mir«, begann sie langsam. »Aber warum weiß ich nichts davon? Wie kann das sein, dass ich Bilder sehe, ohne den Zusammenhang zu begreifen?«
»Auch dafür gibt es viele unterschiedliche Gründe«, sagte Johnson.
Emily bemühte sich, nicht wieder auf seine Krawatte zu starren, und war dankbar, als er sich zum Fenster wandte und aus dem Fenster in den Spätsommertag hinaussprach. »Um das näher herauszufinden, müssten wir uns eine Weile mit Ihnen beschäftigen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber so, wie ich die Lage verstanden habe, fehlt uns dazu die Zeit, nicht wahr?«
Er kam wieder zu ihr zurück. Seine Bewegungen wirkten träge, als bewege er sich in Zeitlupe. »Das, was wir auf die Schnelle tun können, ist Folgendes: Das Bewusstsein beschäftigt sich mit jeder Menge Dingen. Mit Reizen aus der Umwelt, mit Gedanken, mit Sorgen. Das ist eine Art Geräuschkulisse. Und die übertönt Ihre innere Stimme, die uns irgendetwas sagen will.« Er setzte sich auf die Schreibtischkante. »Was ich versuchen möchte: Ich würde gern für Sie diese äußeren Faktoren ausschalten. Oder zumindest ein wenig begrenzen.«
»Und wie werden Sie das tun?«, fragte Emily. Wider Willen war sie doch interessiert daran, was er sagte. Vielleicht lag das aber auch an seiner Stimme, sie war tief und sonor und wollte so gar nicht zu seinem ziegenhaften Äußeren passen. Irgendwie brachte sie doch das Vertrauen zurück, das sie zwischenzeitlich fast verloren hätte. Vielleicht lag es auch an den wirren Haaren, die aus ihm das verrückte, aber gutmütige Genie machten.
Das und die Tim-und-Struppi-Krawatte, schoss es ihr durch den Kopf, und um ein Haar hätte sie gekichert.
Dr. Johnson wies Emily einen bequemen Sessel an der Stirnseite des Raumes zu. »Wenn Sie die Güte haben, dort einmal Platz zu nehmen? Besten Dank!« Dann sprach er weiter, nachdem er noch einmal ausgiebig an seinem Ziegenbart gezupft hatte. »Die Hypnosetechniken haben allesamt gemeinsam, dass sie das Bewusstsein sozusagen unterfordern, es also mit Tätigkeiten beschäftigen, die wenig Aufmerksamkeit erfordern. Dadurch werden die Störungen des Bewusstseins bewusst umgangen und so weit wie möglich ausgeschaltet.« Er sah Emily aufmunternd an. »Der Weg ist also frei für das Unbewusste!«
»Ist das so was wie eine … Trance?«, fragte Emily.
Johnson nickte. »Trance-induzierte Hypnose nennen wir das.«
Sofort war die Angst wieder da.
Und gespenstischerweise schien Dr. Johnson das zu wissen. Oder zu spüren. »Emily«, sagte er eindringlich und ließ sie nicht aus den Augen. »Ich verspreche Ihnen jetzt etwas. Und dieses Versprechen werde ich halten. Ihnen wird hier nichts passieren. Sie sind in diesem Raum in Sicherheit. Trance heißt nicht, dass Sie schlafen. Die Bilder, die Sie sehen werden, sind Abbilder Ihres Unterbewusstseins, aber sie sind nicht real. Ihre Luftballons«, er beugte sich vor, »werden schlussendlich genau das sein: harmlose, ungefährliche Luftballons, vor denen Sie keine Angst mehr haben müssen.«
Emily entspannte sich. Das klang zu schön, um wahr zu sein. Aber vielleicht war es möglich. Sollte sie es nicht wenigstens versuchen?
»Auch wenn Sie unter Hypnose stehen – Sie bestimmen!«, fuhr Johnson fort. »Sie sind diejenige, die entscheidet, was Sie aus der … Versenkung nach oben bringen wollen.«
Versenkung. Wieder sah sich Emily in diesem feuchten Heizungskeller.
Was macht das Wasser?
Es brennt.
»Wollen wir?«, fragte Dr. Johnson leise.
Emily nickte nur.
»Was muss ich tun?«, wollte sie wissen.
Dr. Johnson lächelte sie an. »Nichts. Lehnen Sie sich im Sessel zurück und schauen Sie einfach nur in diese Lampe.« Er schaltete eine Lampe an, die ein warmes Licht ausstrahlte. »Und dann werden Sie meinen Finger fixieren.« Er hob den rechten Zeigefinger, den er ein paarmal vor ihren Augen hin- und herbewegte. Wieder stieg der Drang zu Kichern in Emily auf. Sie kam sich vor wie Drake, den man mit einem Hundeleckerli anzulocken versuchte.
Dr. Johnson drückte auf einen Knopf an seinem Schreibtisch, und von irgendwoher ertönte eine sphärische Musik mit sanften Synthesizerklängen, die dann und wann von Wellenrauschen unterbrochen wurden.
»Und jetzt lassen Sie sich von der Musik und von den Wellen treiben. Und schauen Sie in das Licht. Und folgen Sie meinem Finger.« Der Finger bewegte sich vor ihren Augen hin und her,
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