Spiel des Lebens 1
hypnotisiert, da stand er auf.
»Irgendetwas ist da in Ihnen«, sagte Dr. Johnson und sah aus dem Fenster, als würde ihn dort draußen etwas brennend interessieren. »Und da wollen wir hin. Wir, beziehungsweise Sie, wollen wissen, was sich da verbirgt. Wir wollen, dass diese Stimme tief in Ihnen mit uns sprechen kann. Dummerweise funktioniert das meistens nicht.«
Na toll. Sollte das jetzt ermutigend klingen? Emily schaute sich um. An einer Wand stand ein antiker Torso, darunter einige griechische Buchstaben und auf einem goldenen Schild die lateinische Übersetzung.
»Hypnos«, sagte Dr. Johnson und trat hinzu. »In der antiken griechischen Mythologie der Gott des Schlafes und der Vater der Träume. Das Wort Hypnose leitet sich von seinem Namen ab.« Er zupfte an seinem Bart und räusperte sich. »Hypnos residierte im Lande Erebos, dem Reich der ewigen Finsternis, jenseits der Tore der aufgehenden Sonne. Sein Bruder ist Thanatos, der Gott des Todes.«
Emily rutschte tiefer in ihren Sessel. Wie nett, dass er nach all dem, was sie ihm erzählt hatte, auch noch vom Gott des Todes sprach. Sie wünschte sich, Ryan wäre hier, aber Dr. Johnson hatte darauf bestanden, dass er draußen wartete.
»Daher wird der Schlaf auch als Bruder des Todes bezeichnet.«
Jetzt reichte es ihr aber. Noch so ein Spruch, und sie würde gehen. »Sterben werde ich aber hoffentlich nicht?«, fauchte sie.
Dr. Johnson drehte sich abrupt zu ihr um und musterte sie aus seinen auffallend kleinen Augen.
»Weit davon entfernt. Was man in der Hypnose über sich lernen kann, macht einen lebendiger als je zuvor.«
Emily atmete tief durch. Sie erinnerte sich an den Vorschlag ihrer Mutter, einen Psychiater aufzusuchen, und an ihre spontane Reaktion darauf. Sie hatte recht gehabt. Psychiater waren Idioten. Nichts anderes als Angler, die schon längst verfaulte Fische aus einem stinkenden Tümpel an die Oberfläche ziehen, wobei es für alle am besten gewesen wäre, wenn diese Fische am Boden des Sees geblieben wären.
»Klappt Hypnose eigentlich bei allen Menschen?«, fragte sie. Sie musste ihre Nervosität irgendwie in den Griff bekommen.
»Unterschiedlich«, antwortete Dr. Johnson, und das erste Mal, seit sie im Raum war, sah sie ihn lächeln. »Das ist ein wenig wie mit Alkohol. Manche vertragen viel, manche wenig. Und so reagieren auch Menschen unterschiedlich auf die Hypnose. Etwa zehn Prozent der Menschen sind sehr leicht hypnotisierbar, Frauen eher als Männer. Blinde oder gehörlose Menschen gelten als nur sehr bedingt geeignet.«
Emily blickte sich um. An der gegenüberliegenden Wand hing ein großformatiger, sorgfältig gerahmter Kupferstich eines gelehrt aussehenden Mannes – der Kleidung nach zu urteilen, wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert – , der ihr mit gravitätischer Würde, Gehrock und Perücke aus dem Bild entgegenblickte.
»Franz Anton Mesmer«, klärte Dr. Johnson sie auf und trat neben Emily vor das Bild. »Ein deutscher Arzt, der die Hypnose sozusagen wiederentdeckt hat. Seine Arbeiten waren die Grundlage für den sogenannten animalischen Magnetismus.«
»Magnetismus?«, fragte Emily. »Was hat das mit Hypnose zu tun? Ich würde da eher an Magneten denken.«
»Das ist auch gar nicht so abwegig, junge Dame«, sagte Johnson und zupfte wieder an seinem Bart, so als würde er dadurch irgendeinen Mechanismus in Gang setzen. »Mesmer machte Experimente mit Affen, denen er Magneten auflegte und deren Verhalten sich dadurch änderte. Mesmers Theorie nach, die er in der Abhandlung De planetarum influxu niederlegte. Diese besagt, dass die Planeten des Sonnensystems durch ihre magnetischen Strahlen ebenfalls eine heilsame Wirkung auf die menschliche Psyche haben. Die Astrologie behauptet das übrigens auch, allerdings ohne allzu viel wissenschaftliches Rüstzeug dahinter.« Er wedelte mit der Hand und sprach weiter. »Mesmer war der Ansicht, dass man diese Wirkung der Planeten auch durch Magneten hier auf der Erde verstärken könne. Daher animalischer Magnetismus. Wobei Anima in diesem Fall die Seele ist.« Er zupfte erneut an seinem Ziegenbart. »Animalischer Magnetismus nach Mesmer ist das, was wir heute auch als Hypnose oder im angelsächsischen Sprachbereich als Mesmerisierung bezeichnen.«
Jetzt komm mal endlich zur Sache, dachte Emily, vielleicht ist das wieder so eine Masche, um den Patienten zu beruhigen, indem man möglichst viele Nebensächlichkeiten aufzählt, aber mich beruhigt dieses Geschwafel nicht. Und
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