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Spiel des Schicksals

Spiel des Schicksals

Titel: Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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vorübergingen, suchte ich in ihren Gesichtern nach einer Reaktion.
    Aber diese Gesichter waren seltsam ausdruckslos. Keiner sprach. Es war unmöglich, ihre Gedanken zu lesen. Plötzlich überkam mich eine unglaubliche Neugierde, mit eigenen Augen zu sehen, was von dem fürchterlichen Nero tatsächlich noch übrig war. Ich hörte meine amerikanische Freundin fragen: »Wollen wir hineingehen?«
    »Nun, ich…« Ich schaute mich um und sah, wie die anderen sich um den rundlichen, kleinen Führer scharten. »Wann ist die nächste Führung?«
    »In einer Stunde.«
    Unschlüssig stand ich da. Dann warf ich einen letzten Blick um mich herum. John war nirgends in Sicht. »Ja, gehen wir hinein.« Ich rannte zum Kartenschalter und kaufte spontan eine Eintrittskarte für tausend Lire. Als ich zu der kleinen Gruppe stieß, war der Führer eben dabei, die Teilnehmer zu zählen. Als er fertig war, rief er dem Mann im Kartenhäuschen »Seil« zu, worauf dieser die Zahl sechs auf ein Stück Papier kritzelte. Dann richtete der Führer das Wort an uns: »Ihr alle sprechen Englisch? Sehr gut. Giovanni sprechen Englisch am besten. Und nur eine Sprache. Manche Tage ich haben Deutsche, Francese, mamma mia, sogar Griechen! Heute ist leicht für Giovanni. Wir gehen los, ja? Immer dicht bei Papa bleiben.« Er zog das Tor auf, und alle sechs traten wir furchtlos in den kalten Tunnel. »Sehr leicht Sie können sich verirren in Neros Haus. Bleiben bei Papa. Nicht weglaufen.«
    Wir hielten uns alle dicht beieinander, als wir über den unebenen Fußboden stolperten und dem schwachen Schein von Giovannis Taschenlampe tiefer unter die Erde folgten. Je weiter wir vordrangen, um so vollständiger wurde die Finsternis, bis mir vom angestrengten Sehen die Augen schmerzten. Zum erstenmal im Leben konnte ich mir vorstellen, was es bedeuten mußte, blind zu sein, und der Gedanke daran machte mir angst. Giovannis Licht war wie ein richtungweisender Finger. Wir mußten folgen.
    Als wir zum erstenmal unter gegenseitigem Anrempeln haltmachten, starrten wir alle mit hervorquellenden Augen in dem Raum umher und auf die vielen Türöffnungen, die in andere Teile des Gewölbes führten. Während Giovanni sprach und die Verbrechen und Greueltaten der »Neroni Imperatori« ausmalte, kam es mir mit einem Frösteln zum Bewußtsein, wie notwendig es war, die Besucher vor dem Betreten zu zählen und sich dicht bei dem Mann mit der Taschenlampe zu halten. Völlig dunkel und labyrinthisch war Neros irrsinnig angelegter Palast eine todsichere Falle für verlorene Schafe.
    Wir schlurften von Raum zu Raum und lauschten hingerissen den beredten Erzählungen des Italieners von den Legenden, die dieses geheimnisvollste aller römischen Baudenkmäler umgab, und ich wünschte im nachhinein, ich hätte auf John gewartet. Zehn Minuten hatten wir sechs uns bereits durch enge Flure und klamme Gemächer geschoben, als es passierte. Giovanni hatte gerade ein paar Spukgeschichten über Neros ruhelosen Geist zum Besten gegeben und führte die anderen aus dem Zimmer hinaus, während ich zurückblieb, um einen letzten Blick auf das vor mir liegende Wandgemälde zu werfen.
    Im nächsten Augenblick spürte ich einen Schlag auf den Kopf, einen stechenden Schmerz und dann eine Schwärze, die noch finsterer war als die in Neros Goldenem Haus.

6
     
     
     
    Ich erwachte mit einem merkwürdigen Klingen in den Ohren und einem säuerlichen Geschmack im Mund. Als ich die Augen zögernd aufschlug, nahm ich zunächst nur verschwommene Farben und bizarre Formen wahr. Doch als ich langsam das Bewußtsein zurückerlangte, gewann ich auch allmählich wieder ein zusammenhängendes Bild von meiner Umgebung.
    Bei dem Geräusch handelte es sich, wie ich entdeckte, um eine junge Frau, die mit einer hohen Stimme sprach. Die Farben und Gerüche sagten mir, daß ich mich in irgendeinem Zimmer befand, das ich jedoch nicht gleich erkannte. Der schauderhafte Geschmack rührte wohl von einer Arznei her. Ich muß bei der Einnahme eine Grimasse geschnitten haben, denn gleich darauf fing ein Mann, der dicht neben mir stand, an zu sprechen.
    »Sie ist jetzt wach.« Eine Hand legte sich auf meinen Arm. »Lydia? Lydia, können Sie mich hören?«
    Verwundert blickte ich auf John Treadwell. Was um alles in der Welt ging hier vor?
    »Natürlich kann ich Sie hören.«
    »Sie machen vielleicht Sachen! Aber wenn man Sie so hört, scheint es Ihnen wieder ganz gut zu gehen.«
    Wieder ertönte die hohe, melodische Stimme der

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