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Spiel des Schicksals

Spiel des Schicksals

Titel: Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Handvoll ungeduldiger Touristen und ein kleines, buntes Kartenhäuschen. Ich schlenderte hinein und setzte mich auf eine Bank. Meine Uhr zeigte fünf nach zehn, und John war noch nicht da. Der Mann in der Kartenbude las eine Zeitung und rauchte dabei eine Zigarette. Die fünf Touristen warfen gelegentlich einen Blick auf die Uhr und schauten dann in Richtung auf zwei andere Eisentore, die auf höchst sonderbare Weise in den Hügel eingelassen waren. Jenseits davon tat sich ein gähnender, schwarzer Schlund auf, der so furchterregend wirkte, daß ich einen Augenblick lang meinte, christliche Märtyrer mit Löwen kämpfen zu sehen. Nichts deutete auf ein »Goldenes Haus« hin, und ich entdeckte auch nichts, das sich mit der Pracht auf dem Palatin-Hügel hätte messen können. Hier also hatten die herausragendsten Leute der römischen Geschichte gelebt: Augustus, Tiberius, Livia, Caligula, Claudius, Messalina…
    Wieder blickte ich in die Höhle jenseits der Gitterstäbe. Kaum zu glauben, daß dies auch der Wohnsitz Neros gewesen war, des furchterregendsten Tyrannen in der römischen Geschichte und einer der schrecklichsten Figuren der ganzen Weltgeschichte. Er war der Wahnsinnige, der entartete römische Kaiser, der Rom in Brand gesteckt hatte und der vermutlich auch die Apostel Petrus und Paulus hatte umbringen lassen. Und dies war sein Haus. In meinen Gedanken wurde ich von einer üppigen Dame unterbrochen, deren. Oberschenkel beim Gehen ein raschelndes Geräusch von sich gaben. »Sind Sie Engländerin?« fragte sie.
    »Amerikanerin.« Ich blinzelte zu ihr herauf, konnte aber kaum mehr als ihre Silhouette wahrnehmen, die von der Sonne wie mit einem Heiligenschein umgeben wurde.
    »Wunderbar! Ich auch.« Sie setzte sich neben mich und legte ihre kleine, dickliche Hand auf meinen Arm. »Ist das nicht aufregend? Ist es nicht ausgesprochen hinreißend?«
    »Die Domus Aurea?«
    »Rom, meine Liebe! Sind Sie mit einer Reisegruppe hier?«
    »Nein, allein.«
    »Wir auch. Die Gruppenreisen haben dieses Jahr wegen der Inflation ihre Angebote reduziert. Aber meine Mutter und ich haben jahrelang für diese Reise gespart, und nichts konnte uns davon abbringen. Sind Sie schon einmal da drinnen gewesen?… Nein? Ich bin schon zum zweiten Mal hier. Sie werden es einfach nicht glauben, wenn Sie das hier betreten, besonders nicht, nachdem Sie die wunderschönen Paläste auf dem Palatin gesehen haben… Waren Sie schon dort? Nun, dies ist etwas ganz anderes. Hier ist es fürchterlich dunkel und unheimlich. Wie in einer schwarzen Höhle. Man kann sich richtig vorstellen, daß da drinnen Geister leben. Das jagt einem wahre Schauer den Rücken hinunter!«
    Ich schaute wieder in die Schwärze jenseits der eisernen Gitterstäbe, eine Schwärze, die sich tief in den Hügel hinein erstreckte, die aber keinen Hinweis darauf gab, was darunter verborgen lag. Für einen Augenblick hatte ich den Eindruck, es handele sich um ein Grabgewölbe.
    »Natürlich stand das Goldene Haus einst im Sonnenlicht, aber im Laufe der Jahrhunderte wurde es verschüttet. Drinnen befindet sich das phantastischste Labyrinth, das Sie sich vorstellen können. Es sind noch ein paar Wandgemälde und Mosaikböden übrig, aber es ist alles so gruftartig und furchterregend. Es ist mein Lieblingsort in Rom!« Ich lächelte der Frau mit den leuchtendroten Lippen und dem Hang zum Gruseligen höflich zu. Sie war aufgeregt und lebhaft, und ich spürte selbst ein wenig davon. Was immer auch hinter diesem Eisentor aus dem zwanzigsten Jahrhundert liegen mochte, es gehörte einem anderen Bereich an, einem geheimnisvollen Bereich. »Nero lebt in diesen Mauern weiter«, plapperte sie. »Sein Geist ist tatsächlich schon gesehen worden!«
    »Das hört sich wirklich ziemlich aufregend an.« Ich sah mich nach John um. Es war fast zwanzig nach zehn.
    »Horchen Sie.« Sie faßte sich mit ihrer dicken Hand ans Ohr. »Die letzte Gruppe kommt zurück.«
    Während ich auf die gedämpften Geräusche von Schritten und Stimmen lauschte, versuchte ich angestrengt, eine Bewegung hinter den Gitterstäben auszumachen. Dann tauchte ein Funke auf. Er wurde größer, und als er immer näher herankam, erkannte ich, daß es sich um die Taschenlampe des Führers handelte, der eine Handvoll Touristen ans Tageslicht zurückgeleitete. Die Tore öffneten sich quietschend, und einer nach dem anderen gaben die Fremden dem Italiener Trinkgeld und dankten ihm in verschiedenen Sprachen. Als sie feierlich an mir

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