Spiel des Schicksals
Band teilte die glitzernde Stadt dort, wo der Tiber das Zentrum durchzieht. Ich zitterte ein wenig, worauf John Treadwell behutsam einen Arm um meine Schultern legte. Als ich auf die Stadt hinabblickte, wie sie so traumhaft schön dalag, kam ich auf den Gedanken, daß ich vielleicht eben dabei war, mich in sie zu verlieben, und fragte mich, warum ich nicht schon früher hierher gekommen war. Dann fiel mir die Antwort ein.
Bis jetzt hatte ich geglaubt, ich führe ein rundum erfülltes Leben. Doch jetzt erkannte ich, daß dem in Wahrheit nicht so war und daß sich in meinem Leben eine beklagenswerte Leere ausbreitete. »John, mir wird langsam kalt. Können wir zurückgehen?«
»Natürlich.« Er führte mich zurück zu den warmen Straßen und den freundlichen Menschenmengen. Das Hotel war hell erleuchtet und wirkte im Moment sehr einladend. In der Empfangshalle blieb ich stehen und dankte John für den wundervollen Tag und für seine ernstlichen Bemühungen, mir bei der Suche nach meiner Schwester behilflich zu sein. Nachdem er mich einen Augenblick angesehen hatte, fragte John: »Und wann werde ich Ihren geheimnisvollen Schakal einmal zu Gesicht bekommen?«
»Kommen Sie morgen vorbei, und ich zeige Ihnen das merkwürdige Tier, einverstanden?«
»Abgemacht.« Er zögerte, und ich erriet seinen Gedanken. »Ich bin völlig erschöpft, ehrlich«, erklärte ich schnell. »Ich werde jetzt ein warmes Bad nehmen und anschließend sofort einschlafen.«
»Kann ich Sie nicht noch zu einem Schlummertrunk überreden? Ein Gläschen Benediktiner oder Grand Marnier?«
Ich schüttelte matt den Kopf. »Bitte nicht, es war heute ein ermüdender Tag für mich. Ich wäre bestimmt nicht sehr unterhaltsam.«
»Oh, das müßte man erst sehen.« Doch er beharrte nicht weiter darauf. Anstatt mich zu bedrängen, wie ich es schon befürchtete, legte John nur seine Hände auf meine Schultern, küßte mich leicht auf die Stirn und flüsterte: »Ich rufe Sie morgen früh an. Gute Nacht, Lydia.«
»Danke, John. Gute Nacht.« Als ich ihm nachschaute, wie er sich draußen ein Taxi herbeiwinkte, dankte ich der Vorsehung dafür, daß sie uns zusammengeführt hatte. Seine Gegenwart und seine Hilfe hatten mir den ersten großen Schritt sehr leicht gemacht. Von nun an, da war ich mir sicher, könnte ich es auch allein schaffen. Zumindest waren dies meine Gedanken, als ich den großen Aufenthaltsraum in Richtung auf die Treppe durchquerte, bis ich mit Mr. Raschid zusammenstieß, der sich mir in den Weg gestellt hatte.
»Entschuldigen Sie, Miss Harris. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob Sie Ihre Schwester schon gefunden haben.«
»Hmm… nein, noch nicht.« Er hatte noch immer dieselbe riesige Sonnenbrille auf und trug auch die Zeitung noch immer bei sich. Beides wohl Gegenstände, um sich dahinter zu verstecken. Und da er im Palazzo Residenziale nicht als Gast eingetragen war, fragte ich mich, was um alles in der Welt er schon wieder hier zu tun hatte. »Ich habe auf Sie gewartet«, erklärte er, als könne er in meinen Gedanken lesen. »Wie bitte?«
»Für den Fall, daß Sie Ihre Schwester nicht gefunden haben, dachte ich, ich könnte Ihnen vielleicht weiterhelfen, da ich Italienisch spreche und diese Stadt ziemlich gut kenne…«
»Danke«, erwiderte ich nervös, »aber ich habe bereits Unterstützung, und ich habe alles getan, was ich konnte. Die Polizei und die Botschaft waren nicht in der Lage, mir zu helfen. Aber ich mache mir keine Sorgen. Sie kann nicht weit sein. Vielleicht hat sie einen Ausflug nach Neapel oder sonst etwas unternommen.«
»Haben Sie schon einmal im Ägyptischen Museum im Vatikan nachgefragt?«
Verblüfft riß ich die Augen auf und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Wie bitte?«
Achmed Raschids Gesicht blieb unbewegt. Ich konnte nicht sehen, wo seine Augen waren oder wie er eigentlich aussah.
»Es war bloß so ein Gedanke. Also dann, gute Nacht, Miss Harris. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
Ich starrte ihm wie benommen nach und rührte mich nicht von der Stelle, bis die japanische Reisegruppe plötzlich in die Halle strömte. Dann drehte ich mich schnell herum und stürzte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die sechs Treppen hinauf, bis ich meine Tür doppelt hinter mir abgeschlossen und die Jalousientüren, die auf den Balkon führten, fest verriegelt hatte. Dann sank ich auf die Kante meines Bettes nieder, und während ich mein Herz wie wild gegen meinen Brustkorb hämmern spürte, versuchte ich,
Weitere Kostenlose Bücher