Spiel des Schicksals
dachte ich beiläufig an meinen kurzen Besuch im Muski-Viertel. Ich hegte jetzt keinen Zweifel mehr daran, daß mein Leben, wäre Achmed Raschid nicht gerade in diesem Moment aufgetaucht, höchstwahrscheinlich keinen Pfifferling mehr wert wäre.
Dann schweiften meine Gedanken zu meinem ägyptischen Reisebegleiter. Wer war er nur? Wohin brachte er mich? Und was würde am Ende der Reise passieren? In diesem Punkt vertraute ich ihm, obwohl ich wegen John Treadwell noch immer verbittert war und mir fest vorgenommen hatte, nie wieder so leicht auf den Charme und das gute Aussehen einer Person hereinzufallen. Ich mußte Achmed Raschid einfach vertrauen, ich hatte keine Wahl. Er hatte mir einmal das Leben gerettet, möglicherweise sogar zweimal, wenn man den Zwischenfall im Shepheard’s mit berücksichtigte. Ja, ich mußte ihm vertrauen, mein Leben in seine Hände legen und mich ihm ausliefern. Aber ich konnte nicht umhin, mich immer wieder zu fragen… wer war dieser Achmed Raschid eigentlich?
12
Ich wachte während der Nacht mehrmals auf und schaute hinaus, konnte aber nur wenig sehen. Da war nichts als das gleichmäßige Rattern der Räder, die sich über den Schienenstrang bewegten, das rhythmische Schwanken des Zuges und vor meinem Fenster nur ein nebelhafter Schleier. Ich konnte nur mit Mühe Schlaf finden, und als es endlich soweit war, wurde ich von merkwürdigen Träumen heimgesucht. Als sich jenseits des Flusses der erste Schimmer des Sonnenaufgangs zeigte, war dies Anlaß genug für mich, aufzustehen und mich für den Tag vorzubereiten.
Es dauerte zwar einige Zeit, aber nach einer Weile des Herumprobierens enträtselte ich den Mechanismus des Waschbeckens. Es gelang mir, mich darin zu waschen und mein Gesicht wieder einigermaßen herzurichten. Alles in allem sah ich gar nicht so schlecht aus. Nach einem gewagten Ausflug zur Toilette am Wagenende, was allein schon einem Manövrierkunststück gleichkam, stolperte ich zurück zu meinem Abteil, verriegelte die Tür und stopfte mir ein paar Stück von Asmahans stark gewürztem Kuchen in den Mund, während ich darauf wartete, daß die Sonne aufging. Draußen begann ein fremdartiges und faszinierendes Bild Gestalt anzunehmen. Es war eine Szenerie, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Jeder neue Sonnenstrahl enthüllte eine weitere Einzelheit der ägyptischen Landschaft. Und als das fruchtbare Niltal in der frühen Morgensonne erstrahlte, zeigte sich ein eindrucksvolles, atemberaubendes Panorama. Unser Zug ratterte auf dem Westufer in Richtung Süden, mit einer Geschwindigkeit von etwa achtzig Kilometern pro Stunde. Es war fünf Uhr dreißig, als der Sonnenball gänzlich über dem Horizont aufgegangen war und die gesamte Landschaft in ein gleißendes Licht tauchte. Wir machten einen kurzen Halt auf einem heruntergekommenen Bahnhof namens Griga und setzten dann unseren Weg fort. Jetzt konnte ich alles um mich her sehen und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Da gab es überall Kühe und Weiden und Bauernhöfe, und alles war so leuchtend grün und erfrischend, daß mir bei dem bloßen Anblick das Herz lachte. Ochsen und Kamele mit hervorstehenden Rippen drehten große Schaufelräder, die das Nilwasser in die Bewässerungskanäle beförderten. Magere Hunde durchstöberten die Felder. Sonnengebräunte Bauern in weißen galabiyas waren schon auf den Beinen und arbeiteten in der morgendlichen Kühle. Später, während der heißesten Tageszeit, so stellte ich mir vor, würde wohl alles zum Stillstand kommen und in Mittagsschlaf versinken. Die Gebäude, an denen wir vorüberfuhren, waren einfache Lehmziegelhütten mit gähnenden Löchern, die als Türen und Fenster dienten. Die Hütten waren schmutzig und schief und standen zusammengedrängt am Rande des Graslandes im Staub. Städte und Dörfer, wenn man sie als solche bezeichnen konnte, waren nichts weiter als Reihen von Lehmziegelbehausungen, bevölkert von sonnengegerbten Bauern und ihren verschleierten Frauen, die mit gewaltigen Lasten auf den Köpfen einhergingen.
Endlose Zuckerrohrfelder zogen an mir vorbei. Mehr Zuckerrohr, so dachte ich, als man wohl selbst in Hawaii finden mochte. Da war kilometerweit nichts anderes zu sehen als diese Pflanze, die ein Volk ernährte, das süßen Tee trank und süßes Gebäck verzehrte. Es gab auch endlose Reihen von Dattelpalmen, Baumwollfeldern und Weizenfeldern, rechtwinklig durchzogen von staubigen Pfaden, die wohl das zu den einzelnen Gehöften gehörende Land
Weitere Kostenlose Bücher