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Spiel des Schicksals

Spiel des Schicksals

Titel: Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ohrenbetäubend, daß ich ihn ständig »Wie bitte?« fragen mußte. Dann brachte er mir den üblichen Tee und machte sich wieder auf. In der kurzen Zeit, die er weg war, brach ich beinahe in Panik aus, als ich in die braunen, grinsenden Gesichter um mich herum blickte. Diejenigen, deren Blicke sich mit meinem kreuzten, sprachen mich auf arabisch an oder riefen: »Willkommen in Kairo.« Zu diesen war ich nicht einmal höflich, ich behandelte sie einfach wie Luft. Ängstlich suchte ich die Gesichter nach einem mir bekannten ab: der beleibte Mann mit den dicken Brillengläsern oder Arnold Rossiter. Aber da gab es nicht einen mit westlichem Aussehen in der Menge. Allesamt waren es Ägypter und Araber, die alle verfügbaren Tische besetzt hielten oder sich in den Zwischenräumen drängten.
    Nicht einen Moment zu früh kam Achmed Raschid zurück. Er hielt die Fahrkarten in der Hand. »Warum trinken Sie Ihren Tee nicht?«
    »Ich bin wahrscheinlich zu aufgeregt.«
    »Aber Sie müssen trinken.«
    Wieder sah ich mich in dem Café um. Die Wände waren ausgebleicht, und der Putz bröckelte ab; der Fußboden bestand aus nacktem Zement; und nirgends auch nur die geringste Dekoration – kein Bild, keine Pflanze, nicht einmal Lampenschirme über den nackten Glühbirnen. Nur ein Haufen fröhlicher, lachender Menschen. Das ging über meinen Verstand. »Ist im Zug noch Platz für uns?«
    »Ja, ich habe die Fahrkarten. Abends gibt es nur einen Zug nach Süden, der ganz bis nach Assuan hinunterfährt, und er ist zweiter Klasse. Ich habe Abteilkarten für uns gekauft, so daß wir mehr unter uns sind. Sie werden schlafen können.«
    »Prima. Falls ich Schlaf finden kann. Wann fahren wir ab?«
    »In fünfzehn Minuten. Sie müssen Ihren Tee trinken, dann steigen wir ein.«
    Ich spähte noch einmal in dem Raum umher. Der Rauch reizte meine Augen, und ich dachte: Was ich wirklich brauche, ist ein richtiger Drink. Warum gibt es hier nirgendwo Bars?
    Achmed Raschid hatte ein wachsames Auge auf mich, während ich trank. Er lächelte halb, doch es galt wohl nicht mir, sondern irgend etwas, das ihm durch den Kopf ging. Seine wunderschönen Augen waren wie gebannt auf einen bestimmten Punkt gerichtet. Ich konnte nichts anderes tun, als zurückzustarren.
    Als mir der süße Tee die Kehle herunterrann, dachte ich: Eigentlich brauche ich vielleicht doch keinen Drink. »Sind Sie bereit? Dann können wir jetzt gehen.« Er trug sowohl meine als auch seine Tasche und bestand darauf, daß ich mich wie zuvor bei ihm unterhakte. In meiner anderen Hand hielt ich ein Bündel, das er kurz vor unserem Aufbruch mit nach Hause gebracht hatte – eine Art Lunch-Paket von Asmahan. Zweifellos etwas zu essen. Dann versuchten wir, uns durch die Massen zu lavieren. Ich hielt nach Schildern Ausschau, die den Weg zu den Zügen weisen sollten, aber es gab keine. Man sah überhaupt nur wenige Aufschriften. Dafür waren einfache Bilder und Pfeile auf die Wände gemalt. Dies rührte wohl daher, weil die Mehrheit der Fahrgäste weder lesen noch schreiben konnte.
    An einer Stelle, als wir die endlose Halle durchquerten, verlor ich Achmeds Arm und wurde zurückgedrängt. Der Bauer, der mich angerempelt hatte, entschuldigte sich tausendmal, und Mr. Raschid antwortete ihm lachend auf arabisch. Dann reichte er mir seine Tasche, die leichter war als meine, und faßte mich beim Weitergehen mit dem freien Arm fest um die Schulter.
    Als wir den Bahnhof erreichten, gab er mich frei und nahm mir die andere Tasche wieder ab. Sobald wir stehenblieben, winkte er einen kleinen Jungen herbei, der in der Nähe stand. Als das in Lumpen gekleidete Kind, das vielleicht zehn Jahre alt sein mochte und dessen Augen stark vom Trachom befallen waren, herbeigerannt war, sagte Achmed Raschid etwas zu ihm, drückte dem Bengel eine Münze in die Hand und entfernte sich. Worauf der Junge grinste und ihn ehrerbietig grüßte.
    Ich beobachtete verwundert, wie dieser Zehnjährige die Taschen näher an mich heranschob und sich dicht an meiner Seite aufstellte, so daß wir uns fast berührten. »Bist du mein Leibwächter?« fragte ich ihn.
    Er grinste zu mir herauf und erwiderte: »Willkommen in Kairo. Es sich freuen, Sie zu sehen.«
    »Danke.«
    Er verbeugte sich steif. »Henry Kissinger, Missy.«
    »Ja, du auch Henry Kissinger.«
    Wir warteten nicht lange, denn Achmed Raschid kam bald wieder zurück, gefolgt von einem Mann in einer galabiya. Er gab dem Jungen eine weitere Münze, schickte ihn wieder weg und

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