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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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waren. Einen solchen Scheidungsgrund hatte es noch nie gegeben.
    Im Sitzen spürte sie das weiße Rauschen in ihrem Kopf. Sie konnte
nicht mehr hören, was gesagt wurde. Und wenn sie es gehört hätte, sie hätte es
nicht verstanden. Sie stand auf, um mehr Luft zu bekommen. Vor Adrian, der ihr
beistehen wollte, wich sie zurück. Sie knickte vornüber und griff sich an die
Brust.
    Er streckte ihr die Hand entgegen und berührte ihren Rücken.
    »Clara«, sagte er. Es klang wie eine Liebeserklärung. Früher hatte
er im gleichen Tonfall »Ich liebe dich« hinzugefügt.
    Sie versuchte, sich weiter aufzurichten. Es gelang ihr nicht. Er
fing sie am Ellenbogen auf, als sie endgültig fiel. Einen Augenblick lang
schämte sie sich, es war ihr peinlich, aber es änderte nichts, ihre Beine
versagten einfach. Das hatte sie nicht für möglich gehalten, dass der Körper
einen Menschen im Stich lässt, einfach nicht funktioniert. Ihr Anwalt, das
bekam sie mit, hielt sie am anderen Ellenbogen, doch sie wollte den Arm
zurückhaben. Behutsam half ihr Adrian wieder auf den Stuhl zurück und rückte
näher an sie heran.
    Sie senkte das Gesicht auf ihre Knie und legte die Arme um den Kopf.
Sie nahm sich vor, einzuatmen, Luft zu holen. Sie hob den Kopf und sog die Luft
in mächtigen Schlucken ein. In der Ferne hörte sie ein eigentümliches Röcheln,
kein richtiges Weinen. Das Geräusch stammte von ihr. Sie stützte sich an der
Wand ab. Sie hustete und würgte, doch ihr Magen war leer. Jemand schob ihr von
hinten seine Hände unter die Achseln.
    Unbeholfen schwenkte sie den Kopf hin und her. Er sollte sie
loslassen. In den Boden wollte sie versinken. Dann ließ sie sich wieder
aufhelfen. Adrian war es, der ihren Arm ergriff und sie aufrecht hielt.
    »Im Namen des Volkes erlässt das Amtsgericht Rosenheim folgendes
Urteil …«
    Nur schwach vernahm sie den Spruch, der ihre Wunschehe hinfällig
machte. Sie nickte langsam, versuchte, zu verstehen. Trank einen Schluck. Ihr
Hals war trocken und wund.
    Nach der Verhandlung, wie es sich für gutartig Geschiedene gehört,
gingen sie einen Kaffee trinken und danach getrennte Wege. Die Rimstinger Villa
gehörte zu diesem Zeitpunkt schon dem Konkursverwalter. Nach Brannenburg wollte
sie Adrian nicht mehr mitnehmen. Wo er an diesem Tag schließlich übernachten
würde, wussten beide nicht.
    Doch Clara war ein bisschen glücklich, als sie nun in Brannenburg
die Tür wieder hinter sich zuzog, für einen kurzen Moment einen Hauch von
Freiheit verspürte und Emil sah. Wie ein gekrümmter langer Tannenzapfen hatte
sich die Echse in eine Ecke ihres Käfigs in der Diele verkrochen. Emil
entrollte sich, als er Clara kommen hörte, und watschelte auf seinen kurzen
dicken Beinen zur Käfigtür. Mit dunkel glänzenden Augen sah er zu ihr empor.
    Clara bückte sich und entriegelte den Ausgang für ihn. Wenn sie da
war, durfte er sich frei in der Wohnung bewegen.
    Im Schlafzimmer war es kalt. Ihr Bett war nicht gemacht, ganz so,
wie sie es in der Früh um kurz nach sechs verlassen hatte. Sie machte einen
Bogen um das Bett und betrachtete es wachsam.
    Wachsam wie ein Tier, das einen Eindringling in seinem Bau wittert.
Sie zog die Bettdecke beiseite und besah sich im Nachmittagslicht das straffe
Laken. Es war anthrazitfarben, das war Adrians Wunsch gewesen, weil die Farbe
männlicher war, wie er sagte. Wie oft hatten Adrian und sie in diesem Bett
miteinander geschlafen?, überlegte sie. Ihr Vater und sie, nein, das leugnete
sie. Würde sie immer leugnen.
    Tränen stiegen hoch, als sie mit den Fingern über das Laken strich.
Es fühlte sich dünn und glatt an.
    »O Adrian, Liebster, ich lieb dich doch noch immer so. Ich kann das
Gefühl nicht abstellen, nur weil du jetzt mein Vater sein sollst. Ich habe dich
von Anfang an geliebt und werde nicht aufhören, dich zu lieben.«
    Die tiefe Krise, die sie wegen seines Verhaltens in Namibia gehabt
hatten, war lange verziehen und vergessen. Nächtelang hatte sie aber nicht
schlafen können, als es sich als sicher herausgestellt hatte, dass sie Vater
und Tochter waren. Unbestreitbar herausgestellt. Und Adrian hatte Mühe gehabt,
nachzuweisen, dass er von seiner Vaterschaft nichts gewusst hatte. Nun aber war
es so. Sie würden für ewig als Paar getrennt sein. Sie waren geschieden.
    Freilich, er war wegen Betrugs verurteilt worden. Sie hatte ihm in
allen Dingen vertraut, und dieses Vertrauen wäre unter anderen Umständen bitter
enttäuscht worden. Dr. Jekyll und Mr.

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