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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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Augenblicks, als er sein
verdammtes Glas abstellte, verliebte sie sich aufs Neue in ihren Joe Ottakring,
den alten Grantler. Der diesen bejahrten Porsche fuhr, der den gleichen
rostigen Charme ausstrahlte wie sein Herr.

ZWEI
    »Neunzehn Uhr dreißig im Präsidium«, ordnete Rico Stahl an.
»Chili Toledo, Bruni und ein ED ler
seiner Wahl, der Staatsanwalt, wenn er erreicht werden kann, der Doktor. Er
soll erste Ergebnisse mitbringen. Zeitpunkt, Tatwaffe, Ursache …«
    Er selbst wollte sich bis dahin in der Luger-Villa in Rimsting
umschauen. Er nahm Huawa mit. »Huawa, alter Verbrecher, du bist dabei. Du
kannst jedes Schloss öffnen, ohne Spuren zu hinterlassen.«
    Brennnesseln und Disteln drängten aus allen Ritzen des Pflasters der
Zufahrt. Sie stellten das Zivilfahrzeug in einer Seitenstraße ab und trafen
sich hangaufwärts seitlich des Stahltors, das den Besitz abriegelte. Es war nur
angelehnt, Huawa brauchte nicht einzugreifen.
    Sie schlüpften durch den Spalt und genossen einen herrlichen Blick
auf den hauseigenen Park mit einem Baumbewuchs, wie er sonst nur in botanischen
Gärten zu finden war – schottische Fichten, kaukasische Lärchen, uralte Eichen,
rot und weiß blühende Gardakastanien, exotische Hängeweiden mit Zweigen wie
Madonnalocken. Die Sonne stand tief, und die Bäume warfen dunkle, kühle
Schatten. Alles war still, auch um das Haus herum. Selbst die Vögel schwiegen,
man hörte nur das Summen der ersten Bienen an den knospenden Ranken an der
Südostwand des Hauses.
    »Da unten der Chiemsee«, flüsterte der Huawa andächtig, als sie oben
am Haus standen.
    Rico nickte ungeduldig. »Und dahinter die Berge. Aber jetzt los, an
die Arbeit. Aufmachen, Huawa!« Er verspürte eine leichte Gereiztheit, weil er
nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen konnte, ob nicht doch jemand im
Haus war.
    Für Rico Stahl war es ein seltsames Gefühl, das Haus eines guten
Bekannten zu durchwandern. Die Lugers – Adrian und Clara – hatten ein begehrt
offenes Haus geführt, doch er, Rico, war nie eingeladen gewesen. Sein Vater
hatte ihm beiläufig von den Festen erzählt. Sie seien großzügig, aber nicht
pompös und herzlich, aber nicht aufdringlich gewesen. Hochkarätige Gäste. Und
in diesen Räumen bewegte er sich nun.
    »Huawa, du bleibst hier unten und passt auf, dass keiner kommt. Setz
dich einfach in den Empfangsraum.«
    Huawa gehorchte schmollend.
    Je weiter er vordrang, desto intensiver fühlte Rico sich an das
großbürgerliche Haus seiner Großeltern in Nürnberg-Erlenstegen erinnert. Ein
Haus, das – ebenso wie dieses – wie aus einer vergangenen Zeit zu stammen
schien. Draußen die Terrassen im Spätnachmittagslicht, im Erdgeschoss zwei
Salons, Empfangsräume, eine Bibliothek, ein Musik- und Theatersaal,
verschiedene Speisezimmer, ein kleines Labyrinth von Küchen, Adrians
Arbeitszimmer, wie einer Frankfurter Bankzentrale entliehen. Ein palaisartiger
Treppenaufgang führte nach oben. Dort lagen zwischen Morgenzimmer im Osten und
Abendzimmer auf der westlichen Seite eine weitere Bibliothek, ein
Billardzimmer, diverse Schlafzimmer und geräumige Bäder. Er hätte wetten
können, dass die normale Treppe, über die man zu einer weiteren Etage gelangte,
zu den Gästezimmern mit integrierten Bädern führte.
    Intensive Erinnerungen stiegen hoch.
    Das Haus seines Großvaters hat Politiker wie Franz Josef Strauß
gesehen, Filmschauspieler wie Curd Jürgens, Industrielle wie Max Grundig,
Schlagersänger wie Vico Torriani, Bankiers wie Jürgen Ponto. Es gibt formelle
Empfänge, steife Essen, Heere von Bediensteten.
    Großvater ist ein mächtiger, stets korrekt gekleideter Mann mit
frühzeitig gelichtetem Haar. Großmutter, eine figürlich zu ihm passende, in ein
Korsett gezwängte Frau mit Turmfrisur, die gern errötet, hat Rico unter ihre
strenge Obhut genommen. »Halt dich gerade, Rico! Schlaf nicht so lange! Sei
pünktlich! Hast du deine Schularbeiten schon gemacht?« Doch Großmutter hat ein
großes Herz und ist lieb. Der junge Rico von Stahl fühlt sich bei ihr geborgen
wie bei niemandem sonst.
    Was er von Heinrich von Stahl, dem eigenen Vater, nicht sagen kann.
Vater ist viel auf Geschäftsreisen und hat nie Zeit für seinen Sohn. Und nie
Zeit für seine Frau, die sich von ihm scheiden lässt, als Rico vier ist. Wenig
später bricht die Mutter den Kontakt zur Familie ab.
    Rico marschiert mehr oder weniger allein durch seine Jugend.
Unternimmt vieles, verschweigt ebenso viel, vor allem seine
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