Spiel des Todes (German Edition)
Allein dreimal bin ich
ihnen bei offiziellen Anlässen begegnet. Bis dahin ist Hummer bei solchen
Gelegenheiten ausschließlich mit seiner Frau aufgetreten, mit Mariele.«
Im Geist sah Rico seinen Vater in seinem gewaltigen Büro auf und ab
gehen. Er wusste, die Botschaft war noch nicht komplett.
»Ich will keinesfalls etwas andeuten«, fuhr Heinrich von Stahl fort.
»Doch die Tatsache könnte für deine Ermittlungen nicht unwichtig sein. Das
wollte ich dir sagen, Rico.«
»Danke, Vater. Aber das hätte ich doch sicher aus den Medien
erfahren, oder? Das wär für die ein gefundenes Fressen gewesen. Und der Hummer
weicht doch keinem Blitzlicht aus.«
»Das wurde wie üblich alles unter der Decke gehandelt. ›Wenn ihr
nicht darüber schreibt, seid ihr die ersten, die die Meldung vom nächsten
Spielertransfer bekommen‹. Verstehst du?«
Ja, er hatte verstanden. Inzwischen war er allerdings an der
Staatsanwaltschaft angekommen.
»Vater, vielen Dank. Was machst du heute Abend?«
»Ich treffe Hummer. Warum?«
Staatsanwalt Goldner ließ sich entschuldigen. Er musste überraschend
nach München, hieß es. Er wünsche dem Herrn Stahl viel Erfolg bei den weiteren
Ermittlungen. Rico ließ sich einen Kaffee bringen.
Chili hatte ihm eine SMS geschickt. Gespräch mit D. positiv. liebt »seine« clara noch immer, bisschen
wirr im kopf. habe nicht den eindruck, dass er der täter ist. schließe aber
auch nicht aus. wann sehen wir uns wieder?
Rico verschluckte sich. Erst stoppte er den Husten, dann zückte er
das Handy.
»Macht einen Termin mit Herrn Hummer für mich irgendwo in München.
Heute Abend oder morgen. Am liebsten in seinem Privathaus. Selbst wenn’s in der
Nacht ist.«
»Der dürfte schwerer erreichbar sein als Barack Obama.«
»Euer Problem. Wenn er Zicken macht, ladet ihr ihn nach Rosenheim
vor. Morgen Nachmittag.«
Um Mariele Hummer und ihre Meinung zu dem Mord und den sensiblen
Vorgängen wollte er sich selbst kümmern.
Chili saß bereits in der Besucherecke, und die Tür stand offen, als
Rico Stahl sein Büro betrat. Auf dem rechteckigen Tisch vor ihr lag ein Stapel
Fotografien. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, kaum hatte er sich zu ihr
gesetzt, sprach Bände. Er konnte sich auf Neuigkeiten gefasst machen.
»Wie weit bist du?«, fragte er.
»Zuerst noch mal zu Dandlberg«, sagte Chili. Sie schob den Stapel
zur Seite und hielt ihm ein einzelnes Foto hin. »Nur zur Erinnerung, das ist
er, unser Hendlverkäufer.«
Ja, dachte Rico, sieht überdurchschnittlich gut aus. Rote Haare,
modisches Bärtchen, sonst nichts Besonderes an ihm. Bisserl kurz geraten ist
er. Erneut richtete er den Blick auf Chili. Ob sie ebenso angespannt war wie
er? Die vergangene Nacht, so liebenswert die Kollegin war, erschien ihm weit
weg und unwirklich. Beide nagten noch an ihren Spuren, keiner sprach darüber.
»Die Hauptfragen, die ich ihm gestellt habe, waren natürlich das
Wie, das Wann und das Warum. Warum ist er mitten in der Nacht in Claras Wohnung
eingedrungen, auf welche Weise hat er es getan, und wann war es gewesen.«
Rico zupfte sich die lindgrün gemusterte Krawatte zurecht, stand
auf, lupfte zunächst ein Hosenbein, dann das andere, um die Bügelfalten zu
schonen, und setzte sich so mit durchgedrücktem Kreuz halb auf seine
Schreibtischplatte, dass er Blickkontakt mit Chili behielt.
»Mit diesem Schlüssel kam er rein.« Sie schwenkte demonstrativ eine
Kunststoffhülle. »Er besaß einen Zweitschlüssel, den er sich schon früher –
natürlich illegal – hatte anfertigen lassen. So konnte er ungehindert in ihrer
Wohnung ein und aus gehen.«
Rico schüttelte den Kopf. »Zu welchem Zweck? Wie oft?«, fragte er
etwas ungläubig.
Chili lachte auf. »Er liebt sie, beteuert er immer wieder …«
Sie erläuterte, dass Gottfried Dandlberg regelmäßig in Claras
Wohnung gewesen war, auch als sie die meiste Zeit in Rimsting bei ihrem Mann
gelebt hatte. Er habe nichts angestellt, nur ihre Luft atmen wollen. Das sei auch
am Abend des 26. so gewesen. Er wollte einfach nur, wie sonst auch, durch
Claras Räume schlendern, in ihrem Sessel sitzen, und da habe er sie entdeckt.
Eine halbe Stunde habe er an ihrer Leiche geweint – aber nichts angerührt –,
dann habe er die Polizei angerufen.«
»Und wann war das genau? Deckt sich das mit der Aussage im
Protokoll?«
»Doch. Ja. Neun Uhr zwei am 26. September. Er hat sich die Zeit
gemerkt.«
Nebenbei erwähnte sie ein weiteres Geständnis von Gottfried:
Weitere Kostenlose Bücher