Spiel, Kuss & Sieg
öffnen.
„Nett“, sagte sie tonlos.
„Nicht immer. Aber das Leben ist eben nicht immer nett.“
Der Wagen hielt, und Tamsin versuchte mit gesenktem Kopf ihren Sicherheitsgurt zu öffnen, damit Alejandro ihr Gesicht nicht sehen konnte. Die missbilligende Note in seinem Tonfall war ihr keineswegs entgangen. Offensichtlich nahm er an, dass eine Frau wie sie keine Ahnung von der harten Realität des Geschäftslebens besaß.
Wenn es doch nur so wäre!
„Dessen bin ich mir bewusst, vielen Dank“, erwiderte sie betont ruhig. Der Fahrer öffnete die Tür und trat dann einen Schritt zurück. „Aber es ist noch viel weniger schön, wenn es deine Einzelteile sind, die verkauft werden. Natürlich spielt das für dich keine Rolle.“ Sie stieg aus und schaute vielsagend das Haus an. „Für dich zählt allein der Profit.“
Alejandro antwortete nicht. Wahrscheinlich weil ihm die Argumente fehlten, sich aus dieser Sache herauszuwinden. Immerhin standen sie unmittelbar vor seinem Prachtbau.
„Bestimmt ist dir nie in den Sinn gekommen“, machte sie weiter, „dass hinter jeder geschäftlichen Niederlage eine Menge Kummer und Herzblut stehen. Auf zerbrochene Träume kann man kein Preisschild kleben.“
Aha! Immer noch keine Antwort. Jetzt hatte sie ihn wirklich in die Enge getrieben. Mit einem überlegenen kleinen Lächeln wirbelte sie zu ihm herum.
Alejandro war gar nicht mehr da. Der Fahrer lud bereits ihr Gepäck aus dem Kofferraum, von Alejandro war keine Spur zu entdecken. Tamsin sah sich um und entdeckte ihn gerade noch, wie er kurz davor war, um eine Hausecke zu verschwinden.
„Alejandro!“
Frustriert stampfte sie mit dem Fuß auf. Er blieb stehen und wandte sich zu ihr um.
„Ja?“
Sie öffnete den Mund, doch sein Anblick raubte ihr die Worte.
In den verblassten Jeans, dem schlichten weißen T-Shirt sah er so männlich und sexy aus. Die Sonne in seinem Rücken ließ seine Haut in einem tiefen warmen Bronzeton schimmern. Auf einmal war sie überhaupt nicht mehr wütend. Sie fühlte sich nur noch müde. Und einsam. Und verunsichert.
„Was soll ich jetzt tun?“, brachte sie leise hervor.
Er setzte sich wieder in Bewegung. „Geh ins Haus“, rief er ihr über die Schulter hinweg zu. „Giselle wird dir dein Zimmer zeigen.“
„Giselle?“
„Meine Privatsekretärin. Sie ist schon unterwegs.“
„Und du?“, fragte sie hilflos.
„Die Polosaison hat angefangen“, erwiderte er. „Ich gehe zu den Ställen.“
Den Ställen.
Wenn er vor ihr flüchten wollte, war das der Ort, an dem er vor
ihr sicher war. Denn unter gar keinen Umständen würde sie sich in die Nähe von Pferden wagen.
Erschöpft bewältigte sie die Stufen, die zum Eingang der estancia emporführten. Die Tür stand offen, um die stickige Hitze des Tages nicht im Gebäude einzuschließen. Unschlüssig starrte sie in den dämmrigen Flur und wappnete sich, diese Giselle, bestimmt ein Supermodel mit schmelzenden braunen Augen und schwarzen Haaren wie geöltes Mahagoniholz, zu Gesicht zu bekommen. Vorsichtig betätigte sie den eisernen Klopfer an der Tür und zuckte zusammen, als das laute Echo durch das ganze Haus hallte. Gleich darauf näherten sich ihr hastige Schritte.
„ Hola ! Verzeihen Sie, Señorita Calthorpe, wie furchtbar, dass sie alleine den Weg ins Haus finden müssen. Kommen Sie, kommen Sie!“
Tamsin lächelte erleichtert. Die Frau, die auf sie zugeeilt kam, musste mindestens Ende sechzig sein. Sie war klein, ein bisschen rundlich, eine alte rosa Schürze bedeckte ihren wogenden Busen. Das graue Haar hatte sie zu einem komplizierten Knoten am Hinterkopf zusammengefasst.
„Oh, bitte, machen Sie sich keine Umstände. Sie müssen Giselle sein?“ Die Frau verdrehte die Augen. Gerade, als sie zu einer Antwort ansetzen wollte, meldete sich eine kühle Stimme hinter ihnen. „Danke, Rosa. Ich kümmere mich jetzt um Lady Calthorpe.“
Tamsin wurde das Herz schwer, als die argentinische Schönheit aus ihrer Vorstellung nun tatsächlich auftauchte. Lächelnd streckte sie eine perfekt manikürte Hand aus. Ihre Augen, stellte Tamsin fest, blieben von dem Lächeln jedoch unberührt.
„Lady Calthorpe, ich bin Giselle, Alejandros Privatsekretärin.“
Was auch immer ihre Talente sein mochten – und Tamsin hegte keinen Zweifel daran, welche das waren –, die Fähigkeiten, Small Talk zu machen oder Gästen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, gehörten nicht dazu. Auf ihren Zwölf-Zentimeter-Absätzen stöckelte sie
Weitere Kostenlose Bücher