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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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diesen Teil meines Lebens vor anderen verbergen zu können.
    »Na, wir reden über unsere Brüste. Was denn sonst?« Lydia zwinkerte mir zu, machte große, neugierige Augen und schlug nacheinander mit beiden Händen sechs Eier am Topfrand auf. »Brüste haben viel zu sagen! Man muss ihnen nur zuhören.«
    Ich betrachtete meine Brüste, die sich noch immer hoben und senkten. Sie hatten nichts zu sagen, dachte ich. Sie waren einfach nur froh, nicht an einer Leiche zu hängen.
     
    Der Psycho-Abend über die Macht der Brüste begann in Tante Lydias Wohnzimmer. Das Licht war runtergedreht und die Fenster waren geöffnet, um die Frische des Frühlingsabends hereinzulassen. Die Möbel waren zwar alt, aber gemütlich. Auf einem roten Sofa und zwei violetten Sesseln lagen Kissen, die Tante Lydia bestickt hatte, dazu zwei von ihr selbst genähte Quilts. Neben Stapeln von Büchern standen Kräuter auf großen Tabletts, ein Wald von Pflanzen und unzählige Kerzen mit Vanilleduft.
    Ein gewaltiger Kranz aus getrockneten Rosen, violetten und salbeigrünen Bändern, Bast, Kiefernzapfen und kleinen Vogelbauern hing über dem Kamin. Sosehr meine Tante Lydia auch ihre Gewehre und Hühner liebte, so gerne handarbeitete sie. Martha Stewart wäre stolz auf sie.
    »Wir sind hier, um die Macht in unseren Brüsten zu spüren«, rief Tante Lydia halblaut und nahm ihre Brüste in die Hände, sodass sich ihr gebatiktes T-Shirt bauschte. »Männer haben uns lange genug zu Objekten gemacht, uns nach der Größe unserer Brüste beurteilt. Unseren Wert durch einen Blick auf unsere obere Hälfte bemessen.«
    Kerzenlicht flackerte im abgedunkelten Zimmer, erleuchtete die Gesichter der Frauen. Ich faltete die Hände, fast schon verwundert, dass ich nicht schon wieder einen Herzinfarkt bekam.
    Hier saß ich auf einem prallgepolsterten Kissen im Dunkeln, auf dem Boden, und würde gleich mein T-Shirt vor drei Frauen ausziehen, die ich nicht kannte. Und dennoch war ich vollkommen ruhig. Als würde ich mich ständig entkleiden und mit den Titten wackeln.
    »Es ist wirklich schön, dich kennenzulernen«, sagte Katie
Margold leise, als Tante Lydia kurz zum Klo ging, um »das gelbe Gift der Erde aus meiner Blase zu pressen«.
    Katie hatte weiche braune Augen, wie Schokolade, aber sie wirkten müde und erschöpft. Ihr Blick wich mir ständig aus, als rechnete sie damit, dass ich mich mit jemand anderem unterhalten wollte, der interessanter war als sie.
    Sie betrachtete meine Wange und mein Auge, beides immer noch von einer aussagekräftigen grünvioletten Färbung. Voller Mitgefühl schürzte sie die Lippen.
    »Ich freue mich auch«, sagte ich. »Du hast herrliches Haar. So schwungvoll. Wie eine Meerjungfrau.«
    Ach, was rede ich da
, dachte ich sofort und ließ den Kopf hängen. Ich hatte irgendetwas sagen wollen, und das war dabei herausgekommen.
    Katie war groß und schwer gebaut, sie war nicht geschminkt und trug ein altes fleckiges grünes T-Shirt und eine weite Jeans. Aber ihr Haar war eine Pracht. In kastanienbraunen Wellen wogte es ihr bis auf den Rücken, sauber und glänzend. Sie hätte Werbung für Shampoo machen können.
    Ich kam mir vor wie ein Trampeltier. Wahrscheinlich dachte die arme Frau nun, ich sei lesbisch. Das stimmte zwar nicht, aber Männer mochte ich zu diesem Zeitpunkt auch nicht besonders gern.
    »Oh! Ähm, ich … « In dem verdunkelten Zimmer war es schwer zu sagen, aber ich glaube, Katie errötete ein wenig, dann wirkte sie unglaublich zufrieden, doch kurz darauf traten ihr Tränen in die Augen, große runde Tränen.
    Ich druckste herum, wollte etwas sagen. Du lieber Himmel! Ich war zum Psycho-Abend über die Macht der Brüste eingeladen und hatte schon die erste Frau zum Weinen gebracht. Ich war eine dicke, dumme Kuh ohne jedes Einfühlungsvermögen, die oft keine Luft bekam und jeden Moment von einem besessenen Ex-Verlobten niedergestreckt werden würde.
    Katie wischte die Tränen fort. »Danke.« Sie seufzte, der Seufzer bebte ein wenig.
    Der Dank kam aus tiefstem Herzen, sodass mir selbst heiße Tränen in die Augen schossen. »Gerne. Ich wollte immer schon rotes Haar haben, langes rotes Haar. Ich fand immer … Ich habe einmal in einem Buch eine Meerjungfrau mit langen roten Haaren gesehen, die habe ich nie vergessen. Verglichen mit meinen schmutzigblonden Strähnen, tja … «
    »Ich kann mich auch an so eine Meerjungfrau erinnern: die kleine Meerjungfrau von Andersen.« Schon wieder standen Tränen in Katies braunen Augen.

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