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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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»Das ist doch unglaublich, dass ich wegen einer Meerjungfrau heule!«
    Ich konnte es auch nicht glauben. »Völlig von der Rolle«, sagte ich kopfschüttelnd, und Katie musste lachen.
    Doch in Wirklichkeit fand ich nicht, sie sei von der Rolle. Es war gerade einen Monat her, da hatte ich in der Bibliothek Schlange gestanden und geweint, weil ich es so wunderbar fand, Bücher ausleihen zu dürfen, ohne dafür zahlen zu müssen. An dem Tag hatte ich kein Geld, weil ich Robert am Vorabend zu einem teuren Essen eingeladen hatte, über das er nur gemeckert hatte, und da dachte ich bei mir: »Ich liebe Thomas Jefferson.« Und dann heulte ich, mitten in der Schlange.
    Katie und ich waren zwei von der rührseligen Sorte.
    Links von Katie saß Caroline Harper, die Hellseherin. Man hätte sich keine Frau vorstellen können, die weniger wie eine Hellseherin aussah. Caroline war zierlich und elegant. Sie trug einen weiten Rock mit Blumenmuster und ein schwarzes Tanktop und sah eher aus wie ein Fotomodell. Sie hatte hohe Wangenknochen, volle Lippen und schrägstehende grüne Augen.
    Das einzig Auffällige an ihr was das permanente Zucken ihres linken Auges. Hin und wieder hob sie die Hand, rieb es, hielt es fest, als wolle sie das Zucken vertreiben. Als sie ins Haus gekommen war, hatte ich mir sofort meine widerspenstigen
Locken hinters Ohr geklemmt. Neben ihr kam ich mir vor wie ein gewaltiger Büffel. Ein falscher Schritt, und ich würde diese Frau zerquetschen.
    Caroline war die Anspruchslose. Die Frau, die von Kleingeld lebte und den besten gestürzten Ananaskuchen aller Zeiten machte. Die jede Woche auf dem Bauernmarkt Obst und Gemüse verkaufte und nebenbei den Leuten die Zukunft voraussagte, die kaum Geld verdiente und Monat für Monat nur mit Hilfe ihrer Nachbarn überlebt, weil sie ihr Eier und Essen vorbeibrachten und dafür am nächsten Tag Carolines perfekte Backwaren bekamen.
    Über die leuchtenden Kerzen hinweg lächelte Caroline mich an. Sie hatte ein breites Lächeln mit großen, glänzend weißen Zähnen. Um die Augen bekam sie ein paar Fältchen. Ich schätzte sie ungefähr fünf Jahre älter als mich.
    Sie schaute mir in die Augen, in das geschwollene und das normale, und ich erwartete, dass sie die angsterfüllte, lächerliche Frau mit der garstigen Vergangenheit und der seltsamen Krankheit erkannte, die ich bin. Sie würde meine Zukunft voraussehen und jeden Augenblick blass werden.
    Doch das tat sie nicht. Sie lächelte mich einfach nur an. Freundlich und offen. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie mich an Cheerios.
    »Willkommen in Golden!« Carolines Auge zuckte, doch der Rest ihres Gesichts war friedlich, ruhig. »Hat Lydia dir erzählt, dass dies unser wöchentlicher Psycho-Abend ist?«
    Ich nickte bejahend und knetete den Saum meines blauen Pullis in der Hoffnung, er verberge meine breiten Hüften. War ich vielleicht noch dicker geworden, seit die schmale Caroline durch die Tür gekommen war?
    »Lydia!«, tadelte sie, als Tante Lydia wieder ins Zimmer trat. Offensichtlich hatte ihre Blase all die giftige gelbe Flüssigkeit aus ihrem Körper gedrückt. Caroline konnte sich das Lachen kaum verkneifen, auch wenn das Auge weiterzuckte.
    »Stimmt doch, Caroline! Das hier ist unser Psycho-Abend. Nach jeder Sitzung sagst du uns die Zukunft voraus.« Lydia machte ein böses Gesicht. »Meine Vorhersage letzte Woche hat mir aber nicht gefallen, Caroline, ganz und gar nicht.«
    »Aber ich hatte recht, oder?«, lachte Caroline und schob das lange braune Haar aus dem fein geschnittenen Gesicht. Sie sah aus wie eine Königin, nicht wie eine von Armut geplagte Frau, die von dem Gemüse in ihrem Garten lebte.
    »Das hast du mit Stash abgesprochen«, erklärte Lydia, die Hände in die Hüften gestützt.
    »Nichts dergleichen hab ich getan. Ich habe dir lediglich gesagt, dass ich etwas Rotes sehen würde. Schmeichelndes Rot als Zeichen für Liebe. Und Leidenschaft. Du warst ganz davon umgeben, Lydia. Alles war rot.« Caroline lächelte, und zwei Grübchen erschienen auf ihren Wangen.
    »Und dann kam Stash hiermit an!« Mit der Empörung der Rechtschaffenen zog Lydia eine Schublade des Kleiderschranks auf und zerrte ein rotes, mit schwarzem Pelz besetztes Negligé hervor.
    Ich verkniff mir ein Lachen.
    »Er ist ein alter Narr, der sich nicht benehmen kann. Kommt hierher, parkt seinen Traktor vor meinem Haus, gibt mir den Geschenkkarton, drückt mir einen Kuss auf den Mund und haut wieder ab. Ich lasse mir noch ein Schwein

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