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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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ich sein soll!«, rief Lara. »Aber so bin ich nicht. Ich kann nicht mehr so sein, es geht einfach nicht!«
    Ich rieb mir mit den Fingern über das Auge. Ja, es war noch geschwollen. Es tat immer noch weh, auch wenn der Wein den Schmerz dämpfte. »Wie ist das denn?«
    »Was?«
    »Du hast gesagt, du kannst nicht mehr der Mensch sein, den Jerry will. Was für ein Mensch ist das?«
    »Das ist ein Nichts«, sagte sie verbittert. »Ein Niemand.«
    Ein Nichts. Ja, so einen Menschen kannte ich. Einen nicht vorhandenen Menschen. Ich griff zum Spiegel und betrachtete die Unterseite meiner mächtigen Brüste. Sie schienen überhaupt keine Kraft zu besitzen. Lediglich eine große Rundung, die mehr oder weniger nach oben wies. Ich schloss die Augen. Zumindest hingen meine Brüste noch nicht nach unten wie eine Sprungschanze.
    Dennoch: Ich erkannte eine nichtssagende Brust an einem nicht vorhandenen Menschen, wenn ich eine vor mir hatte. Ich hob den Kopf nur so weit, dass ich noch ein wenig Wein trinken konnte. Kurz fragte ich mich, ob ich weit genug gefahren war, damit Robert mich in Ruhe lassen würde.
    Nein, sagte ich mir. Völlig unmöglich. Robert konnte nicht verlieren. Er würde mich suchen kommen.
    »Ich will nicht mehr helfen, eine Gemeinde zu führen«, sagte Lara mit rauer Stimme. »Ich will einfach nicht mehr.«
    Schwer legte sich das Schweigen auf uns, hüllte uns fünf ein wie eine unsichtbare schwarze Wolldecke.
    »Also gut!«, rief Tante Lydia, legte ihre Hände unter ihre Brüste und hob sie an. »Nehmt sie in die Hand! Was sagen sie euch?«
    Trotz der Dunkelheit konnte ich sehen, wie Lara die Augen verdrehte, dennoch tat sie wie geheißen, betrachtete ihre Nippel, als könnten sie plötzlich sprechen und würden ihr genau
sagen, was sie wissen wollte. »Sie sagen mir, ich soll das tun, was ich will.«
    »Gut!« Tante Lydia stand auf. Mindestens zwölf Zöpfe baumelten über ihren nackten Brüsten, die Kerzen beleuchteten ihre Haut. Dreiundsechzig Jahre alt. Bei ihrem Anblick musste ich fast weinen. Sie war herrlich. Musste an den Schießübungen, dem Marmeladekochen, den Brownies mit Marihuana und dem Tee liegen, den sie immer mit Rum trank.
    »Eure Brüste, meine Damen, werden zu euch sprechen. Sie haben weise Ratschläge zu bieten, sie helfen euch, Mut zu fassen, sie lotsen euch auf einen fraulichen Kurs. Schließlich sind sie eurem Herzen am nächsten. So. Jetzt sag uns mal, Lara, was möchtest du tun? Was haben dir deine Brüste gesagt?«
    »Ganz einfach.« Lara ließ ihren Busen los, ihre Augen blitzten zornig, ihre Lippen verzogen sich. »Sie halten es nicht länger aus, Pfarrersfrau zu sein. Sie ertragen es nicht länger, in einem Sarg zu liegen, auf den der Deckel genagelt ist. Sie wollen raus. Weg hier. Sie wollen frei sein. Unabhängig.« Sie trank noch einen Schluck Wein, das blonde Haar fiel ihr auf die Schultern.
    »Gut so! Deine Brüste sagen die Wahrheit! Sie sind weise! Hör auf sie!« Lydias Augen waren weit aufgerissen, erwarteten die offizielle Bekanntgabe.
    »Sie möchten, dass ich fortgehe und Malerin werde«, sagte Lara leise. »In New York.«
    Und dann brach sie in Tränen aus, vergrub das Gesicht in den Händen, das Kreuz baumelte zwischen ihren Knien, bis sie es von der Kette riss.

3
    Manchmal ist das Leben besser, wenn man benebelt ist. So richtig beduselt. Mein Oberteil und mein BH lagen irgendwo hinter der Couch auf einem Haufen, die Kerzen flackerten zwischen mir und den anderen vier Frauen.
    Wir ergründeten noch immer unsere Brüste, versuchten, ihre Psychologie zu verstehen. Nur Lara nicht. Sie war beim sechsten Brownie und beim vierten Glas Wein angelangt und ahmte hysterisch lachend auf der Couch die Stimmen verschiedener Mitglieder ihrer Kirchengemeinde nach.
    Irgendwann hielt sie inne, schob ihre Brüste hoch, um sie richtig sehen zu können, und sagte zu mir: »Sind noch jung. Sehen noch ganz happy aus. Was ist nur mit mir passiert?«
    Sie lachte weiter, immer höher, je später der Abend wurde.
    Ich blickte hinab auf meine Riesenmelonen. Sie hatten sich immer völlig fremd angefühlt, als wären sie ein Anhängsel, das ich nicht brauchte und nicht wollte. Cup 90 E. So groß und üppig waren sie seit der achten Klasse. Ich brauchte fast ein Geschirr, um sie zu bändigen.
    So lange man sich erinnern konnte, hatten die Frauen in unserer Familie so gewaltige Brüste gehabt. Riesige, sich weit vorwölbende Möpse. Alle hatten versucht, sie zu verstecken. Selbst auf alten

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