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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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aufzunehmen. Es geht um diesen Mann!«, rief er über Brunos Geschrei hinweg. »Er heißt Herrmann Krux.«
    Roggenmeier vertiefte sich in das Foto. Nach einer Weile stutzte er. Er blickte ein wenig ratlos von einem Gesicht ins andere. Er zog die Stirn in Querfalten. Und in Längsfalten. Er kratzte sich am Hinterkopf. Er rieb sich das Kinn. Er hüstelte. Danach bemühte er sich, ein Grinsen zu verkneifen. »Unter dem Regal?«
    »Nein! Natürlich nicht, Chef. Da suchen wir den Spielzeug-Streifenwagen.«
    »Aha. Ist der Mann in der Datei?«
    »Sie haben nicht einmal nachgesehen«, mischte sich Melinda ein.
    »So, so«, meinte Roggenmeier.
    »Wir sind dabei, aber dieses Kind …«
    Dieses Kind plärrte.
    »Was ist mit dem Mann im Müll?«, schrie Roggenmeier seine Mitarbeiter an.
    Sie blickten sich schuldbewusst an, wie ertappte Pennäler, und suchten nach einer Ausrede. »Von dem wissen wir ja gar nicht, wie er ausgesehen hatte, als er noch …«
    »Pssst«, unterbrach Roggenmeier die Polizistin und legte den Finger auf den Mund. »Kommen Sie mit!«, forderte er Melinda mit krummem Zeigefinger auf.
    Melinda griff nach Brunos Hand und zerrte ihn hinter sich her. Die beiden folgten Roggenmeier über den Flur. Bruno fiel über seine eigenen Füße. Der Hauptkommissar öffnete in seinem Büro eine Schublade, entnahm ihr den gleichen silbernen Spielzeug-Streifenwagen und drückte ihn dem verdutzten Kind in die Hand. »Den schenk ich dir, aber nur, wenn du sofort still bist.«
    Bruno legte den Schalter um. Er strahlte, statt zu schreien. Letzte Tränen rannen über seine roten Bäckchen. Er umkrallte das Auto mit seiner kleinen Faust.
    Melinda nahm ihn auf den Arm und fragte: »Sie wissen, wo er ist, nicht wahr?«
    Roggenmeier schüttelte heftig den Kopf. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Es hörte sich eben so an.«
    »Ich habe höchstens eine Vermutung, die aber …«
    Melinda verlor endgültig die Geduld. Sie stellte Bruno auf den Boden und nahm ihm das Auto ab. Er fiel um und begann sofort zu zetern.
    Roggenmeier wich einen Schritt zurück und hielt sich die Ohren zu. Bruno versuchte wieder aufzustehen, drehte sich dabei auf den Bauch und schrie um sein Leben.
    »Also?«
    »Allerhöchstens einen Verdacht.«
    »Welchen?«
    »Es sieht nicht gut aus, Frau Krux.«
    »Was soll das heißen? Ist er etwa tot?«
    Roggenmeier riss entsetzt Mund und Augen auf und schüttelte so heftig den Kopf, dass Melinda fürchtete, eine Gehirnerschütterung könnte die Folge sein.
    »Es könnte sein, dass …« Roggenmeiers Stimme versagte. Sie schien an extreme Lautstärken nicht gewöhnt zu sein. Er unterbrach sich, um Luft zu holen. »Am besten Sie wenden sich an Hauptkommissarin Senger. Sie bearbeitet den Fall.«
    »Den Fall?«, schrie Melinda entsetzt. »Was hat er angestellt?«
    Roggenmeier fuchtelte hilflos mit den Armen in der Gegend herum. »So kann ich nicht arbeiten!«, schrie er.
    Melinda kannte keine Gnade. »Wo finde ich diese Frau?«
    »In ihrem Büro, aber sie ist heute nicht da. Kommen Sie um Gottes willen morgen wieder, aber ohne das da.« Roggenmeier zeigte auf Bruno wie auf ein unbekanntes Flugobjekt.
    »Wo wohnt sie?«
    Roggenmeier zuckte mit den Schultern. Seine Stimme brach. Er hustete. »Ich werde mich hüten, die Privatadressen meiner Mitarbeiter herauszugeben.«
    »Wo?«, beharrte Melinda.
    Roggenmeier wand sich. »In der Nähe von Gemünd.«
    »Wo genau?«
    »Ich sage nur Gemünd, und selbst das dürfte ich nicht tun.«
    »Gemünd?«, wiederholte Melinda und trat einen Schritt auf Roggenmeier zu.
    Er wich zurück. »In einem Forsthaus am Ende einer Stromleitung. Mehr sage ich aber wirklich nicht, auch wenn Sie sich auf den Kopf stellen. Im Übrigen lasse ich mich nicht nötigen. Bitte, gehen Sie jetzt endlich. Mein Tinnitus …«
    »Danke!« Melinda hob Bruno auf und drückte ihm das Spielzeugauto in die Hand. Er war so in Rage, dass er nicht sofort verstummen konnte. Leise wimmerte er vor sich hin und begutachtete dabei das Auto von allen Seiten.
    HK Roggenmeier legte eine Hand auf Melindas Rücken und schob sie sanft aber bestimmt hinaus. »Es könnte sein … Sie müssen tapfer sein.«
    »Ist er der Mann im Müll?«
    Roggenmeier winkte ab.
    »Was ist jetzt mit der Anzeige?«
    »Bitte gehen Sie und nehmen Sie das Kind bloß nicht mit, wenn Sie zur Kommissarin gehen.« Roggenmeier schloss die Tür.
    Ende der Vorstellung.
    Melinda drückte und küsste Bruno. Er hatte ganze Arbeit geleistet. Sie fand die Tatsache, dass

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