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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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gemeldet.«
    »Ach!«, stöhnte Melinda und verlagerte ihr Gewicht auf das rechte Bein. »Da war ich schon hundertmal. Was meinen Sie, was ich die ganzen Jahre über mache? Er kommt nicht einmal in eine Verkehrskontrolle. Niemand weiß, wo dieser Mistkerl steckt. Niemand findet ihn, verstehen Sie?«
    »Unterschätzen Sie uns nicht«, sagte die Polizistin.
    »Das tut uns wirklich leid«, beteuerte ihr Kollege.
    »Leid! Leid!«, schimpfte Melinda und geriet außer sich. »Lass das!«, herrschte sie Bruno zwischendurch an. Das Spielauto hatte ausgerechnet auf ihrem Fuß wenden müssen. »Davon wird der Kleine nicht satt.«
    Die beiden Beamten warfen einen neugierigen Blick auf Bruno. Bruno sah keineswegs aus, als stehe er kurz vor dem Verhungern. Der Po, den er ihnen entgegenstreckte, war gut gepolstert.
    »Sie sollten sich an das Sozialamt oder Jugendamt wenden«, riet die Beamtin. »Die zahlen Ihnen das, was Ihnen zusteht, sofort aus und treiben das Geld bei Ihrem Mann wieder ein. Das wäre das Einfachste.«
    »Ja, genau«, bestätigte ihr Kollege. »So läuft das. Irgendwann wird man ihn schon finden. Überlassen Sie das den Behörden.«
    Melinda blickte auf die beiden herab, als hätten sie ihr vorgeschlagen, eine Bank zu überfallen. Ihre Augen wurden schmal, sie spitzte die Lippen. Bruno machte »Brumm! Brumm! Brumm!«
    »Hören Sie«, begann Melinda und verlagerte ihr Gewicht aufs linke Bein. Die Kreolen wippten. »Ich bin nicht aus Vergnügen hier, ich bin hier, weil ich endlich einen Tipp bekommen habe. Ich habe eine seiner Tussis aufgetrieben, und der hat er erzählt, dass er jetzt in der Eifel wohnt.«
    »Das ist ja interessant«, meinte die Polizistin.
    »Sag ich doch.« Melinda stemmte die Hände in ihre schmale Taille.
    »Und wo da?«, fragte der Kollege. »Die Eifel ist groß.«
    »Natürlich hat er seiner Trulla nicht das Kaff genannt, wo er jetzt ist, er ist ja nicht blöd«, erklärte Melinda.
    »Tja«, meinte der Polizist und zuckte mit den Schultern. »Eifel. Dieser Hinweis ist viel zu ungenau. Unser Zuständigkeitsbereich ist begrenzt. Sie könnten genauso gut alle anderen Polizeidienststellen in der Eifel aufsuchen. Er könnte auch in Rheinland-Pfalz sein. Ja, er könnte sogar in Belgien sein.«
    »Können Sie nicht die anderen Dienststellen informieren? Haben Sie hier in der Eifel kein Telefon?«
    »Natürlich haben wir das. Wir werden Ihre Anzeige ja auch aufnehmen. Immer mit der Ruhe. Trotzdem stellt sich die Frage, warum gerade wir? Wir haben ziemlich viel zu tun, wissen Sie?«
    Melinda verlagerte ihr Gewicht auf das rechte Bein. Ihre Stimme klang drohend. »Ich komme, wie Sie wissen, aus Köln. Ich habe in Euskirchen mit der Suche nur
angefangen
, verstehen Sie? Sie sind meine allererste Station. Ich werde auch in den Osten, den Westen und den Süden ziehen. Ich habe es eilig, sonst ist er wieder weg, ganz im Gegensatz zu Ihnen!«
    »Das verbitte ich mir!«, rief der Polizist, rückte seinen Stuhl nach hinten und sprang auf.
    Im gleichen Moment begann Bruno zu schreien. Das Stuhlbein hatte das Spielzeugauto mit Schwung unter ein Aktenregal befördert, und es kam nicht wieder heraus.
    »Warte!« Der Polizist fiel auf die Knie und versuchte, mit der Hand unter das letzte Brett zu kommen, um das Auto hervorzuangeln. Seine Hand war zu dick. Bruno schrie.
    Die Polizistin sank neben ihrem Kollegen zu Boden und bemühte sich ebenfalls. Auch ihr gelang es nicht. Bruno stampfte mit den Füßen auf den Boden und schrie mit weit geöffnetem Mund.
    Die Polizistin versuchte ihr Glück mit einem Lineal. Ihr Kollege begann, das Regalbrett leer zu räumen. Bruno bekam einen Erstickungsanfall. Drei Sekunden gefährliche Ruhe. Alsdann setzte das Schreien mit neuer Kraft wieder ein, nur eine Tonlage höher. Melinda überlegte, das Zimmer zu verlassen. Ohne Bruno.
    Die Tür flog auf. »Was ist denn hier los?!«
    In Nullkommanix standen die Polizisten auf ihren Füßen. Bruno brüllte wie am Spieß und ruderte mit seinen Armen, als wäre er in kochendes Wasser gefallen. Melinda drehte sich um. In der Tür stand – nicht in Uniform – ein drahtiger Endfünfziger. Er verbeugte sich kurz vor Melinda, drückte ihre Hand und stellte sich vor: »Hauptkommissar Roggenmeier.«
    »Au!« Melinda schüttelte ihre Hand. Sein Händedruck war ein Verbrechen. Sie kontrollierte, ob ihr Nagellack abgeblättert war.
    Der Polizist griff nach dem Foto und hielt es Roggenmeier entgegen. »Wir sind dabei, eine Vermisstenanzeige

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