Spiel mir das Lied vom Wind
ihren Chef weiter, und dieser informierte noch in ihrem Beisein stolz die örtliche und überörtliche Presse, Kölnische Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger.
»Ein ganz gewöhnlicher Name«, meinte Roggenmeier ein wenig enttäuscht, als er den Telefonhörer auflegte.
Was hatte er erwartet? Nicht jeder konnte Hans-Hinrich Roggenmeier heißen.
Er lehnte sich zurück und faltete die Hände in Bauchhöhe. »Morgen steht sein Name in der Zeitung, dann wird sich jemand melden.«
»Hoffen wir es«, sagte Sonja.
Das Klima zwischen Chef und Mitarbeiterin hatte sich entspannt. Sie war auf seine anfänglichen Anspielungen nicht eingegangen, er verlor bald den Spaß daran und tat inzwischen, so wie Sonja, als habe es diese Zeit, in der Sonja mehr kopflose Geliebte als clevere Kommissarin war, nicht gegeben.
Sie hatte ihm verziehen, dass er ihr Melinda ins Forsthaus geschickt hatte, wenn auch aus einem anderen Grund. Erstens hatte er zugegeben, dass er Melinda und ihr plärrendes Kind nur möglichst schnell hatte loswerden wollen. Zweitens hatte ihr Auftauchen immerhin Dinge ins Rollen gebracht, die sonst entweder nie oder erst sehr viel später ans Licht des Tages gekommen wären, in einem Stadium etwa, in dem Sonja nicht mehr relativ folgenlos eine Kehrtwende hätte machen können.
Ein paar Folgen gab es allerdings schon. Abgesehen von Sonjas angekratztem Ego, war der Polo wieder fit und leistungsstark, vielleicht weil er jetzt einen blauen Kotflügel hatte und endlich in einer Garage schlafen durfte, die zwar nur aus Latten und Planen bestand, aber immerhin einen gewissen Schutz bot. Jedenfalls hatte Krux sie wieder vom ÖPNV befreit.
Und er hatte die Haustür repariert. Es war nun nicht mehr nötig, sich dreimal gegen das Türblatt zu werfen und jedes Mal eine Schulterfraktur zu riskieren, sondern es war möglich, wie ein zivilisierter Mensch den Schlüssel herumzudrehen, die Tür mit der Hand an der Klinke ordnungsgemäß aufzuschieben und das Forsthaus zu betreten, anstatt in es hineinzufallen.
Zwei Pluspunkte gegen tausend Minuspunkte. Krux tat gut daran, sich nicht mehr blicken zu lassen. Die Sache hatte sich herumgesprochen, im KK Euskirchen gab es Kollegen, die sich wegen des Gerichtsbeschlusses zum Kindesunterhalt gegen ihn mit der Fahndung befassten. Sonja wusste nicht, wie die Kollegen hießen und wie der Stand der Dinge war, und sie wollte es auch nicht wissen. Das Thema Krux war ein für alle Male vom Tisch. Basta!
Bevor die B 265 sich ins Tal der Urft stürzte, bog Sonja rechts Richtung Heimbach und Mariawald ab. Im Autoradio liefen die 18-Uhr-Nachrichten aber Sonja hörte nicht zu. Sie freute sich auf einen entspannten, einsamen, lauen Sommerabend draußen auf der alten Ofenbank mit einem Zigarillo und einem Glas Wein, und darauf, heute Abend höchstens noch ein Wort zu West sagen zu müssen, der garantiert keine Widerworte geben würde. Er war noch beleidigt, aber er hatte ihr immerhin die Gnade der Rückkehr erwiesen. Vermutlich hatte er auf die Schnelle nichts Besseres gefunden.
Aber nichts auf der Welt konnte ihr Davis zurückbringen. Ein wunder Punkt. Wunder noch als Krux. Ein schwarzer Schatten auf ihrer Seele. Sonja schniefte.
Sie verließ die B 265 und bog nach Wolfgarten ab. Sie bremste vor dem Parkplatz der Kermeterschänke. Eine Kleinigkeit essen könnte nicht schaden. Ein Blick in den Wintergarten des Lokals, und sie wusste, ihr würde das Gerede der vielen Gäste auf den Wecker gehen. Sie fuhr weiter in den Ort hinein, der wie immer im tiefen Frieden lag. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass nicht einmal ein Erdbeben Wolfgarten erschüttern konnte. Auch Bauarbeiten wurden stoisch ertragen.
Da war Sonja ganz anders. Mit einem Gefühl des Misstrauens und Verlustes hatte sie zusehen müssen, wie die KEV, die
Kreis-Energie-Versorgung
, letztes Jahr das Stromkabel am Forsthaus kappen und entfernen ließ. Auf ihre Nachfrage, ob sie sich nun ein Windrad in den Garten stellen müsse, erhielt sie die Auskunft, das sei nicht nötig, da das Netz keineswegs entfernt, sondern nach dem modernsten Stand der Technik unterirdisch verlegt werde und das kleine Forsthaus selbstverständlich angeschlossen bleibe.
Die Stromleitung war für das Forsthaus wie eine Hausnummer gewesen. Niemand würde sie mehr finden, bedauerte Sonja, ehe ihr einfiel, dass dies nur für Fremde galt, Fremde, auf die sie ohnehin keinen Wert legte.
Aber so war es nicht. Als sie um die letzte Ecke bog, der Feldweg und noch
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