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Spiel mir das Lied vom Wind

Spiel mir das Lied vom Wind

Titel: Spiel mir das Lied vom Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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kam mit dem Stiefel in der Hand zurück. Er hielt ihn Sonja hin. Das ausgefranste Seilende hing halb aus dem Schaft heraus. Sonja kippte den Stiefel um und ließ das Seil in ihre Hand fallen. Sie schüttelte solange bis auch das Amulett herausfiel. Sie steckte die rechte Hand hinein und berührte die nackte, verschrumpelte Sohle. Sie war lose. Sonja zog sie heraus. Sie war dreckig und speckig. Eine kleine Spinne spazierte ihr über die Hand. Sonja warf sie in die Freiheit.
    »Warum haben Sie ihn umgebracht?«, fragte sie van Kessel, stopfte die Sohle zurück und ließ Seil und Amulett durch ihre in den Stiefel gleiten.
    »Ich war das nicht«, entrüstete van Kessel sich.
    »Wer denn?«
    »Keine Ahnung. Ich habe nur die Fotos gemacht. Wissen Sie, ich bin ein leidenschaftlicher Fotograf.«
    »Von Windrädern?«, fragte Sonja skeptisch.
    Van Kessel nickte.
    »Haben Sie in Holland nicht genug davon?«
    »Doch, aber ich interessiere mich auch für Windkraftanlagen in anderen Ländern.«
    »Warum?«
    Van Kessel zuckte mit den Schultern. »Es ist ein Hobby von mir.«
    »Oh«, sagte Sonja. »Sie wollen mir also sagen, dass Sie auf Ihren Fotos rein zufällig ein Seil, ein Amulett und eine Stiefelspitze gesehen haben?«
    Van Kessel nickte heftig und überzeugend.
    »Sie wissen nicht, wer der Mann ist?«
    Dieses Mal schüttelte van Kessel den Kopf heftig und überzeugend.
    »Aber Sie waren auch nicht derjenige, der die Polizei gerufen hat?«
    »Ich wollte es tun, aber …«
    »Jemand anderes hat es an Ihrer Stelle getan«, sagte Sonja.
    »Meine Frau ...?«
    Sonja schüttelte den Kopf. »Wem haben Sie noch von den Fotos erzählt?«
    »Niemandem. Aber meine beiden Freunde waren dabei, als ich die Fotos vorführte.«
    »Wie heißen die?«
    »Willem Roosevelt und Adrian Skyler.«
    Sonja war zufrieden, eines der vielen Puzzleteile lag richtig. »Warum sind Sie den weiten Weg an den Tatort zurückgekommen und haben den toten Mann in Ihren Wohnwagen geladen? Sie vertuschen eine Tat, die Sie nicht begangen haben? Wozu soll das gut sein?«
    Van Kessel sah sie fragend an. »Vertuschen?«, wiederholte er und legte eine Hand an sein rechtes Ohr. »Was heißt das?« Nicht nur ein Übersetzungsproblem. Auch nachdem Sonja ihm in anderen Worten erklärt hatte, was sie meinte, blieb ihr van Kessel die Antwort schuldig. Er konnte den Grund nicht nennen, oder er wollte nicht.
    »Ich weiß es nicht«, beteuerte er verlegen.
    Sonja verdrehte die Augen, Antworten wie diese liebte sie.
    »Haben das Seil, das Amulett und die Leiche vielleicht das schöne Windrad verschandelt?«
    »Nein, nein, nein«, rief van Kessel.
    »Haben Sie Ihre Kamera hier? Kann ich sie sehen?«
    Van Kessel schüttelte den Kopf.
    Sonja gab schneller als gewöhnlich auf. Auch wenn die kleine Straße noch leer war, konnte Wesseling jederzeit in seiner unerschütterlichen Art aufkreuzen, im ungünstigsten aller Momente, wie beim letzten Mal, als sie erst Krux und später diese Ölprinten zu Besuch im Forsthaus hatte.
    Sie trat an ihr Auto, stellte den Stiefel auf den Beifahrersitz und klappte die Rückbank um. »Ich sage Ihnen jetzt, wie es weitergeht, Herr van Kessel. Sie packen die Leiche wieder ein und legen sie in mein Auto, und ich bringe sie persönlich nach Bonn in die Rechtsmedizin.«
    Van Kessel nickte angespannt und gehorchte. Nachdem er Krux wieder verpackt und verschnürt hatte, zog er das Paket – rückwärts gehend – bis zur Stoßstange des Polos, hievte erst einen Teil und nach und nach den unhandlichen, steifen Rest hinauf und rollte ihn quer auf den Kofferraumboden. Er schob die Tür zu, aber ein kleines Stück Plane verhinderte, dass das Schloss einrastete. Er zog und zerrte an Krux, schloss die Tür, rieb sich die Hände und blickte beifallheischend zu Sonja.
    Sie sparte mit Lob, reichte ihm stattdessen den Führerschein. »Sie dürfen jetzt nach Hause fahren. Ihren Personalausweis behalte ich, machen Sie sich nicht die Mühe unterzutauchen. Wir arbeiten eng mit Europol zusammen. Sobald ein Arzt den Todeszeitpunkt festgelegt hat, werden Sie ein Alibi vorweisen müssen. Wenn Sie keines haben, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken. Wenn Sie eines haben, bleiben Sie uns immer noch eine Erklärung für das Kidnapping schuldig. Ich bin gespannt. Lassen Sie sich etwas einfallen.«
    Van Kessel schien erleichtert über die Abwicklung. Er lief zu seinem Gespann, schloss die Wohnwagentüren, stieg in sein Auto und warf den Motor an. Sonja machte ihm Platz und setzte

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