Spiel mir das Lied vom Wind
schwarzen Männer, denen die beiden Jungen den Mord an Reiners in die Schuhe schoben, mochte Wesseling ebenso wenig glauben wie an den Weihnachtsmann.
»Aber es wäre doch möglich«, spekulierte Sonja.
»Ich will das aber nicht«, sagte Wesseling. »Ich will klare Verhältnisse, den Fall abschließen. Ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens nach zwei schwarzen Männern zu suchen.«
»Das ist auch eine Einstellung«, meinte sie und musterte ihn von der Seite. Er meinte es ernst, er hatte sein Kinn entschlossen vorgeschoben.
In Venlo machten sie vor einem Albert-Hejn-Supermarkt Halt und deckten sich mit niederländischen Lebensmitteln ein: Kaffee, Rosinenbollen, Butter, Lakritz, Käse, Zigarillos, Tomaten, Eier, Schokostreusel, Grolsch. Wesseling kaufte zusätzlich zwei Blumentöpfe, Sonnenblumen, hielt sie auf Armeslänge von sich entfernt und stellte sie in den Kofferraum.
Schweigen herrschte für viele Kilometer. Wesseling und Sonja hingen ihren Gedanken nach.
Als Wesseling Sonja in Wolfgarten absetzte, überreichte er ihr einen der beiden Blumentöpfe. »Gießen nicht vergessen. Morgen schicke ich dir den Bericht von der Kriminaltechnik über Kruxens Bus.«
»Danke«, sagte Sonja und bemühte sich um Neutralität. »Und ich schicke van Kessel morgen ein paar schöne Fotos.«
»Nimm doch die vom Mann im Müll«, schlug er vor.
Sonja schnupperte an der vollen Blüte der Sonnenblume und hatte gelben Blütenstaub auf der Nasenspitze, als sie wieder hochblickte.
»Du hast da was«, sagte Wesseling und zeigte mit dem Finger auf sie.
Sonja wischte den Blütenstaub mit dem Finger ab und blies ihn in sein Gesicht.
Er reagierte prompt mit einem erschütternden Nieser. »Und vergiss nicht zu wählen«, ermahnte er Sonja. Am kommenden Sonntag standen Kommunalwahlen an.
»Du auch nicht.«
»Hab ich schon längst«, konterte Wesseling. »Briefwahl.«
Gute Idee, dachte sie und überlegte, wohin sie ihren Wahlschein gelegt haben mochte, der irgendwann in der Post gewesen sein musste.
»Und wen hast du gewählt?«
»Den Richtigen natürlich.«
»Ich glaube, ich suche mir den Schönsten auf den Plakaten aus.«
»Mach keinen Fehler«, bat Wesseling mit ernster Miene.
Nichts war einfacher, als ihn zu beunruhigen.
15. Kapitel
Bericht der Kriminaltechnik Bonn vom 26.8.2009
Inspektion außen ergab Folgendes:
Das Fahrzeug ist in ungepflegtem, schlechtem Zustand, Rostflecken, beschädigter Lack (Beulen und Risse), Lehmspuren an Reifen und Kotflügeln, defekte Auspuffanlage, verschiedene Aufkleber wie z. B. Atomkraft Nein Danke, blau-weiße Friedenstaube, hintere Seitenscheiben und die Heckscheibe nicht einsehbar wegen Gardinen (bunt), Glasschaden an der Frontscheibe, alle Türen sind verschlossen
Inspektion innen ergab Folgendes:
Auffallend starker Benzingeruch
.
Tachostand: 171.320 km
Fahrer-und Beifahrersitze, grauer Stoffbezug, durchgescheuert, restl
.
Fläche mit Matratzen (unterschiedliche Farben und Höhen) ausgelegt, bis auf eine selbstgebaute Holzbank, ca. 50 × 70 cm unter einem Seitenfenster (Mitte links), auf der ein Laptop mit Maus und ein Drucker und Kopierer/FAX stehen
.
(Laptop befindet sich zur Auswertung noch in der Abt. Computerkriminalität)
Mehrere Handys (teilweise als gestohlen gemeldet)
Stapelweise Papier, blanko und beschrieben, weiße Briefumschläge DIN A4, Stifte etc
.
Diverse Prospekte über Windkraftenergie in der Eifel, Fachbücher zum Thema Kleinwindräder
Geöffneter Karton mit einem Bausatz für ein Kleinwindrad der SOLAR WIND TEAM GmbH aus St. Georgen, Typ INCLIN 1500 inkl. Akkulader und Netzpaket
Div. Zubehör wie Handwindmesser, Teleskop-Mast aus Edelstahl, Kabel, Wechselrichter zur Netzeinspeisung, Spezialstoppschalter etc
.
Rechnung datiert vom 25.06./Bestellung telefonisch am 24.06
.
Leere Flaschen, leere Konservendosen, Essensreste und Abfall Getragene Kleidung: Jeans, Lederjacke, Hemden und Unterwäsche
.
Wesseling hatte Wort gehalten und Sonja den Bericht der Kriminaltechnik am Morgen per Mail zugeschickt. Sie hatte ihn ausgedruckt. Er war als Frühstückslektüre gedacht. Aber sie hatte dabei keinen Bissen herunterbekommen.
Ihn zu lesen war für sie eine Achterbahnfahrt gewesen, wie alles, was Krux ihr geboten hatte. So schnell sie die Fotos vom Matratzenlager mit wehmütigen Erinnerungen zu überschwemmen drohten, so schnell war sie ihnen aber dank der Erwähnung des Kartons auch wieder entronnen. Was hatte Krux damit vorgehabt?
Sie legte den Bericht
Weitere Kostenlose Bücher