Spiel mit dem Feuer
eingedrungen, hatte unauffällig alles durchsucht
und meine potentiellen Indizien entwendet. Ich schloss die Augen, versuchte,
mich an die Nummer oder die Adresse zu erinnern. Gab auf und ging wieder ans
Telefon.
»Ich habe die Unterlagen verlegt«,
erklärte ich Mick.
»Na ja, dann nehme ich mir erst mal das
Einwohnerregister von Santa Fe vor.«
»Warte, da ist noch was, wenn
Wellbright auch Vorrang hat. Glenna Stanleigh.«
»Ich soll unsere Klientin überprüfen?«
»Erst, wenn alle erdenklichen
Möglichkeiten in Sachen Elson Wellbright erschöpft sind.«
»Aber wieso Glenna? Ich dachte, ihr
beide seid befreundet.«
»Ich auch. Ich will ja nur einen
Standard-Background-Check.«
»Na ja, du bist der Boss.«
»Richtig, immer schön dran denken. Und
halt dich ansonsten verfügbar, für den Fall, dass ich noch was brauche, okay?«
»Klar. Ich harre deiner Wünsche wie ein
ungedecktes Haus der Hurrikansaison.«
Du lieber Gott! Jetzt übernahm er schon
Charlotte Keims Texas-ismen.
9
Uhr 17
Das L’ai Cottage war verlassen, und
Peters Volvo war ebenfalls weg, aber an der Tür hing ein offenbar für ihn
bestimmter Zettel in Glennas Schrift. Ich zögerte und dachte dann: Ach, was
soll’s? Wenn sie ihn nicht zusammengefaltet oder in einen Umschlag gesteckt
hatte, stand wohl nichts drauf, was niemand sonst lesen sollte.
»P — Habe mir deinen Wagen ausgeborgt,
um zum Flughafen zu fahren. Fliege nach Honolulu, um die Kamera bei der
Vermietungsfirma abzugeben. Weiß nicht, wann ich wiederkomme. — G.«
Was immer privat zwischen ihnen lief,
ich musste mit Glenna sprechen. Ich hatte schon gleich nach meinem Telefonat
mit Mick bereut, dass ich ihn gebeten hatte, ihren Hintergrund zu überprüfen.
Und jetzt wollte ich ihr unbedingt die Chance geben, sich zu äußern. Gestern
Abend hatte ich ihr gesagt, wir müssten miteinander reden. Vielleicht war sie
ja nach Oahu geflüchtet, um dieser Konfrontation zu entgehen.
Das Geräusch des Hubschraubers kündigte
Tanners Ankunft an. Ich nahm den Pfad durch das Papayawäldchen und sah den
großen roten Vogel auf dem Rasen aufsetzen. Russ winkte aus der Kanzel,
schaltete den Motor ab und stieg aus. Als er auf mich zukam, bemerkte ich etwas
Zaghaftes in seinem sonst so selbstbewussten Schritt. Er hatte die dunkle
Brille auf, und sein Gesichtsausdruck wirkte bemüht höflich und distanziert — ein
erfahrener Charterpilot, der eine Kundin abholt, die ihm, bei guter Behandlung,
vielleicht ein großzügiges Trinkgeld geben wird.
Er hat Angst, dachte ich. Gestern Abend
hat er eine Grenzlinie überschritten, die wir stillschweigend zwischen uns
gezogen hatten, und jetzt fürchtet er, dass er alles zerstört hat und wir nicht
mal mehr Freunde sein können.
Ich dachte an all das, was ich in Elson
Wellbrights Tagebuch über Tanner gelesen hatte. Das hier war ein Mann, der eine
vaterlose Kindheit in einer Wellblechhütte durchlebt hatte. Der als Junge von
einer hyperehrgeizigen Mutter bei jeder Gelegenheit den reichen Verwandten
aufgedrängt worden war. Der Demütigungen seitens der meisten dieser Verwandten
und der Gesellschaft generell hatte einstecken müssen. Der aus eigener Kraft
das Community College geschafft und den Pilotenschein plus
Hubschrauberzusatzschein gemacht hatte. Der voller Stolz auf sich selbst und
seine Wurzeln ins Erwachsenenleben eingetreten war. Ein toller Mann.
Wie Hy.
Als Tanner den Mund aufmachte, war
seine Stimme genauso zaghaft wie sein Schritt. »Morgen. Wie geht’s?«
»Gut. Und dir?«
»Auch. Willst du jetzt den Wagen
holen?«
»Noch nicht. Komm doch erst mal mit
rauf ins Haus und trink eine Tasse Kaffee.«
»Na ja, ich nehm eine Limo, wenn du
eine hast.«
Wir marschierten in sorgsamem Abstand
den Hang hinauf. Er setzte sich an den Tisch auf dem Lanai, während ich
nach drinnen ging und mit zwei Limos wiederkam.
»Was gibt’s?«, sagte er.
Ich setzte mich neben ihn. »Hat
Ripinsky seinen Flug in Lihue gekriegt?«
Er nickte.
»Hat er irgendwas gesagt? Ich meine,
über... das Ganze?«
»Nur, dass wir alle Zeit brauchen. Dass
niemand für das kann, was passiert ist. Und er hat mich gebeten, es sachte
anzugehen.«
»Sachte?«
»Dir so viel Raum zu lassen, wie du
brauchst.«
»Wie nett von ihm, sich drum zu
kümmern, was ich brauche«, sagte ich sarkastisch.
»Hey, er hat’s nicht herablassend
gemeint. Der Mann liebt dich wirklich, und ich kann das gut verstehen.«
Ich seufzte. »Ich liebe ihn auch
wirklich.«
»Ich weiß. Aber
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