Spiel nach meinen Regeln
das heißen: was mit mir los ist?»
Seine Antwort ließ auf sich warten. Er wirkte zufrieden. Er hatte sich nicht wieder angezogen, nicht einmal seine Blöße bedeckt.
Der Schwanz schrumpfte langsam in seinem Schoß. Schließlich redete er weiter.
«Na ja, ein bisschen verklemmt, könnte man sagen.»
«Verklemmt! Ich bin nicht verklemmt! Wie kannst du das sagen, nach allem, was wir gerade getan haben?»
«Reg dich nicht auf. Wenn ich verklemmt sage, rede ich nicht von gesellschaftlichen Maßstäben. Ich meine das allgemein.»
«Was soll das heißen?»
«Na ja, du überlegst ständig, was sich schickt und was nicht, was andere Leute von dir denken könnten. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, solange es Einfluss auf deine Karriere haben könnte, aber du tust es ständig, weil du dich dazu verpflichtet fühlst. Das meine ich mit verklemmt. Zum Beispiel die Angst davor, nackt gesehen zu werden oder beim Sex erwischt zu werden, selbst dann, wenn es den Leuten nichts ausmacht.»
«Wovon redest du eigentlich? Natürlich macht es mir etwas aus, nackt gesehen zu werden, vom Sex ganz zu schweigen! Das ist normal! Das ist natürlich!»
«Es macht dir doch nichts aus, am Strand nackte Busen zu sehen, oder?»
«Nein, selbstverständlich nicht, am passenden Ort, in der entsprechenden Gesellschaft ...»
«Aber du würdest nicht nackt baden?»
«Nein! Es sei denn, ich fühle mich unbeobachtet, schätze ich.»
«Hast du gewusst, dass die erste Frau, die in Großbritannien einen Bikini trug, verhaftet wurde? Das war in Hampstead Heath.»
«Das ist ja empörend!»
«Und wenn sie nackt gewesen wäre?»
«Dann wäre sie selbst schuld gewesen.»
Michael lachte.
«Ach, komm schon, Valentina, deine Maßstäbe sind keineswegs
, du orientierst dich bloß daran, was in der modernen Gesellschaft akzeptabel ist. Du willst doch wohl nicht ernsthaft behaupten, es mache einen Unterschied, ob man die Brüste oder den Hintern entblößt?»
«Aber selbstverständlich!»
Er lachte wieder, schloss die Augen und legte sich zurück. Ich wusste, er lag falsch, war aber zu aufgebracht, um meine Argumente vernünftig vorzubringen. Er war ja so selbstgefällig!
Nach einer Weile redete er weiter.
«Du würdest doch einen Riemchenbikini tragen, oder?»
«Selbstverständlich, warum nicht?»
«Und an einem FKK-Strand würdest du nackt baden.»
«Ja. Ich habe nichts, dessen ich mich schämen müsste ... Okay, zugegeben, ich passe mich gern an. Wer tut das nicht?»
Abermals ließ er sich Zeit mit der Antwort, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er beobachtete mich, sein Lächeln triefte geradezu vor Herablassung. Ich verfluchte ihn im Geiste und wünschte, er wäre nicht ganz so attraktiv und etwas weniger hochmütig gewesen. Ich atmete tief durch.
«Also, vielleicht hast du Recht. Vielleicht tut es mir ja ganz gut, ein bisschen aus der Reserve gelockt zu werden. Kann sein, ich bin zu sehr daran gewöhnt, ständig alles zu kontrollieren und aufzupassen. Für dich ist alles ganz leicht, ich aber muss stark sein, zumal auf der Arbeit. Ich kann es mir nicht leisten, mich gehen zu lassen. Bislang hat mir auch noch kein Mann ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt.»
Er streckte die Hand aus, zauste mir das Haar. Seufzend schmiegte ich den Kopf an seine Hand. Das musste reichen.
Falls er Chrissy tatsächlich vorzöge, würde ich einen Besen fressen.
Die Harold Jones näherte sich gemächlich der Mündung der Yare. Pippa und Tilly verstauten gerade den großen roten Spinnaker, mit dem wir stundenlang vor dem Wind gesegelt waren. Das war eine ganz andere Erfahrung als am Vortag gewesen, weitaus trockener und weniger beängstigend. Tatsächlich hatte ich es die meiste Zeit über genossen, und ich hatte den Eindruck, dass ich meine Sache gut oder zumindest so gut gemacht hatte, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war. Im Moment hatte ich Zeit für mich, stand vorn im Bug und betrachtete die Küste.
Meine Erinnerungen an Great Yarmouth stammten von einem Wochenendausflug, an dem ich im Alter von acht Jahren teilgenommen hatte, doch das Pier, die Spielhallen und den Park, in dem ich das erste Mal auf einem Pony geritten war, erkannte ich noch immer wieder. Die Docks hatte ich jedoch noch nie gesehen, und ich hatte Mühe, an der Silhouette südlich des geschäftigen Zentrums Einzelheiten zu erkennen. Viele Gebäude schienen leer zu stehen, graue Betonhallen und ver-witterte Farben, durchbrochen von
Weitere Kostenlose Bücher