Spiel nach meinen Regeln
das war ärgerlich, denn es ging schon auf Mittag zu. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie lange die Fahrt von Potter Heigham nach Hickling gedauert hatte, doch eigentlich war es bloß ein Katzensprung.
Ich ging wieder in den Pub und trank noch etwas, dann bestellte ich einen Salat. Ich überlegte, was ich Michael wegen der Verspätung sagen würde, was mir ohne das Wissen, dass er meine Vorwürfe mit aufreizender Gelassenheit aufnehmen würde, weit mehr Genugtuung verschafft hätte. Trotzdem wollte ich ihm die Meinung sagen und noch mehr.
Ich war mit meiner Geduld fast am Ende, als ich zufällig zum Parkplatz sah. Soeben fuhr ein großer schwarzer Rover vor. Das musste Michaels Wagen sein. Die Yacht war anscheinend leck geworden, oder es war sonst was passiert. Ich wartete. Malcolm Callington stieg aus und öffnete die Hintertür, um Pippa und Tilly aussteigen zu lassen. Anschließend schloss er die Tür.
Kein Michael, keine Chrissy.
Auf dem Weg zum Pub unterhielten sie sich angeregt. Malcolm trat mit ernster Miene als Erster ein. Als er sich mir näherte, verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck. Pippa sprach als Erste.
«Valentina, hallo. Ich ... ich fürchte, wir haben ziemlich schlechte Neuigkeiten für dich.»
«Ja?»
«Michael und Chrissy haben die Yacht gekapert.»
«Die Yacht gekapert? Was hat das ...? Wohin wollen sie?»
«Nach Holland», antwortete Tilly, die einen ganz anderen Tonfall angeschlagen hatte. Malcolm und Pippa wirkten eher gefasst. Tilly war wütend. Ich blickte von einem zum anderen, während es mir allmählich dämmerte.
«Nach Holland?»
Malcolm Callington breitete resigniert die Arme aus.
«In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt, Valentina», sagte Pippa.
Tilly wandte sich ihr mit funkelndem Blick zu.
«Nein, das stimmt nicht. Heutzutage gibt es Regeln, zumindest für anständige Menschen. Es tut mir wirklich Leid, Valentina. In Hickling sind sie einfach an Bord gegangen und losgesegelt.
Wir waren im Pub, als Michael plötzlich mit Chrissy reden wollte. Sie gingen nach draußen, und als wir ihnen nachgingen, hatten sie den Hickling Broad fast schon zur Hälfte überquert!»
Malcolm hielt einen Zettel hoch.
«Die Nachricht hat er hintergelassen. Hör mal, Valentina, es tut mir schrecklich Leid, aber wie Pippa gesagt hat, in der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Also, ich halte es für das Beste –»
«Nein, das ist unfair!», fiel Tilly ihm ins Wort. «Michael hat sich für Valentina entschieden. Chrissy hat klargemacht, dass sie mit Jack zusammen ist. Die können es sich doch nicht alle fünf Minuten anders überlegen!»
Ich hörte gar nicht richtig zu. Ich hielt den Zettel in der Hand.
Die Nachricht war kurz:
Das war's: von mir kein Wort. Wut wallte in mir auf, und ein Bild trat vor meine Augen: Sie lag auf seinem Schoß, den fetten Wabbelarsch in die Luft gereckt. Ich konnte mir genau denken, was das kleine Miststück getan und weshalb sie kein Aufhebens davon gemacht hatte, dass ich mit Jack abgezogen war. Kaum wandte ich ihr den Rücken zu, da hatte sie auch schon Michael umgarnt und ihm zweifellos angeboten, ihr den fetten Hintern zu versohlen. Schließlich musste sie seine Vorlieben gekannt haben, und wenn sie es Jack erlaubte, warum dann nicht auch Michael? Er war darauf angesprungen, und das war typisch für dieses arrogante, selbstsüchtige Arschloch!
Michael war mir egal. Wie alle Männer dachte er bloß an seinen Schwanz. Mir ging es um Chrissy. Wenn sie meinte, sie würde damit durchkommen, dann würde sie sich noch wundern. So etwas tut mir ungestraft niemand an, schon gar nicht Chrissy Green.
Die Harold Jones durchteilte sanft das Wasser. Michael stand am Ruder und steuerte vorsichtig am schilfbestandenen Ufer entlang und zwischen den entgegenkommenden Booten hindurch. Das war ganz schön schwierig und erforderte seine ganze Aufmerksamkeit. Ich war froh, Muße zum Nachdenken zu haben.
Mehr oder weniger hatten Malcolm und Pippa uns zusam-mengebracht, und eigentlich war damit mein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Freilich würde ich noch eine Weile an meinem Stolz schlucken müssen, bis ich mich mit der Situation abfinden konnte. Schließlich hatte er mir Valentina vorgezogen.
Valentinas Regeln für den Umgang mit Männern: Lass dich nie mit einem Mann ein, der dich einmal verschmäht hat.
Sie hatte Recht. Zumindest
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