Spiel nach meinen Regeln
Tilly das Boot. Sie hielten aufs offene Meer zu, da sie offenbar befürchteten, wir könnten sie einholen. Die Angst war berechtigt, aber sie machten einen großen Fehler, wenn sie glaubten, sie könnten so leicht davonkommen. In Hickling hatten wir das Schlauchboot eingepackt, und Tilly wusste genau, was zu tun war.
Sie versuchte gar nicht erst, ihnen zuzuwinken, sondern fuhr bis zur äußersten Landspitze und stellte dort den Wagen ab. Es handelte sich um einen Kiesstrand, und als wir das Schlauchboot startklar hatten, kam die Yacht gerade aus der Flussmündung hervor. Sie wollten geradewegs in See stechen, wir aber waren schneller und hatten sie in Windeseile eingeholt.
Sie waren nicht mal an Deck, sondern gaben sich in der Kajüte offenbar ihren schmutzigen Spielen hin. Als Tilly mit dem Schlauchboot längsseits ging, packte ich die Reling und kletterte an Deck. Tilly verlor die Nerven und schwenkte wieder ab. Mir war es egal. Ich brauchte sie nicht. Ich wollte sie nicht einmal dabeihaben. Michael und Chrissy würden Augen machen.
Es war ein langer Nachmittag gewesen, ein wundervoller Nachmittag. Sex hatten wir keinen gehabt, sondern uns nur unterhalten, miteinander gelacht und unter dem weiten blauen Himmel Händchen gehalten. Valentina hatten wir nicht einmal erwähnt. In meinen Gedanken war sie aber dennoch anwesend.
Die anderen glaubten, sie könnten sie loswerden, aber sie kannten sie nicht so gut wie ich. Sie wussten nicht, wie wütend sie werden konnte. Sie wussten nicht, zu welcher Bosheit sie fähig war.
Trotz allem, was geschehen war, erlebte ich einen wundervollen Nachmittag. In Horsey Mere legten wir an und gingen zum Dorfpub. Michael lud mich zum Essen ein, anschließend unternahmen wir einen ausgedehnten Spaziergang in den Dü-
nen. Es war wundervoll hier, friedlich und einsam. Wir wanderten meilenweit über die Dünen. Unterwegs sahen wir einen Seehund, der in der Brandung herumtollte, und schauten ihm, im hohen Gras versteckt, eine Ewigkeit lang zu. Erst als wir den Zaun eines Nudistencamps erreichten, kehrten wir um. Ein paar Leute spielten Volleyball, was uns beide zum Lachen brachte.
Wir wollten uns mit Tilly im Pub treffen, und ich wurde ganz nervös, als wir uns ihm näherten, denn ich war mir sicher, irgendetwas sei schief gegangen, und womöglich warte eine aufgebrachte Valentina auf mich. Michael war eher um seinen Wagen besorgt, machte beißende Bemerkungen über Tillys Fahrkünste und nahm sich vor, das Auto als Erstes auf Kratzer zu untersuchen.
Ich wollte nicht allein in den Pub gehen. Das war auch nicht nötig. Tilly kam uns lächelnd entgegen, in den Händen ein Tablett mit Getränken.
«Hi, Chrissy. Die sind für euch.»
«Wo ist Valentina? Hat sie ... hat sie's geschluckt?»
«Nein.»
«Nein? Mist!»
«Sie war sauer. Sie wollte nicht abreisen.»
«Aber wo ist sie jetzt?»
«Ich hab sie nach Yarmouth gebracht.»
«Warum das? Zum Bahnhof?»
«Nein, zum Strand.»
«Zum Strand?»
«Ja, und noch ein Stück weiter. Hab ich dir nicht gesagt, dass sie die Harold Jones nicht wieder erkennen würde? Sie war wütend und stinksauer ...»
Michael schaltete sich ein.
«Jetzt red mal vernünftig, Tilly, sonst muss ich dich auf der Stelle übers Knie legen.»
Tilly zog eine Schnute.
«Ich hab vernünftig geredet, aber ... wenn du willst, kannst du mich verhauen.»
«Halt den Mund und erzähl weiter!»
«Na schön. Wie ich schon sagte, Valentina war wütend und stinksauer, und da ich wusste, dass sie die Yachten nicht auseinander halten kann, bin ich mit ihr zur Landspitze von Yarmouth gefahren, habe gewartet, bis eine ähnliche Yacht auftaucht, und sie zu ihr gebracht und dort abgesetzt.»
«Du hast sie zur falschen Yacht gebracht?»
«Aber im nächsten Hafen wird sie an Land gehen und sofort wieder zurückkommen!»
«Ach, das wird eine Weile dauern. Die Yacht kam aus Norwegen.»
KAPITEL SECHZEHN
Ich hätte mich das niemals getraut, aber Tilly und Michael und Pippa hielten es für einen Mordsspaß. Malcolm war weniger begeistert und bezeichnete Tillys Vorgehen als unverantwortlich und sogar gefährlich. Außerdem meinte er, die Wahr-scheinlichkeit sei groß, dass Valentina an der Küste abgesetzt werden würde.
Jack wollten wir ebenfalls nicht über den Weg laufen. Deshalb fuhren wir mit der Harold Jones nach West Somerton, in einen toten Arm abseits der Wasserstraßen. Alle waren in Hochstim-mung, und falls ich noch immer ein wenig nervös war, so war ihre
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