Spiel ohne Regeln (German Edition)
unwahrscheinlich, dass Diana das Hotel noch einmal verlassen würde. Was immer sie zu tun geplant hatte, war nun geschehen. Es gab wenig, das Becca hier sinnvollerweise noch tun konnte – außer Nick anzurufen, ihm alles zu gestehen und ihm den Rest zu überlassen. Sie brauchte ein Telefon.
Doch es widerstrebte ihr, die Zelte abzubrechen und Dianas Spur von Neuem zu verlieren, nachdem sie sie durch die Gegend gejagt, verloren und wiedergefunden hatte. Vom Münztelefon im Hotelflur aus hatte man einen guten Blick auf beide Eingänge. Sie würde in der Nähe der Tür herumlungern und auf eine Gelegenheit warten, hinter dem nächsten Hotelgast ins Gebäude zu schlüpfen.
Herrje, dieses Herumschleichen und Herumhängen machte sie nervös! Sie schlenderte in Richtung Hotel, dabei kramte sie zur Tarnung ihr nutzloses Handy heraus und wünschte sich zum ersten Mal im Leben, sie würde rauchen. Nur um eine glaubhafte Rechtfertigung zu haben, sich in Hoteleingängen herumzutreiben.
Noch bevor sie es halb über den Parkplatz geschafft hatte, kam Diana aus der Hintertür gestürmt und hetzte zu ihrem Wagen. Keine weiße Schachtel. Sie schien Becca überhaupt nicht wahrzunehmen, auch nicht, als diese abrupt die Richtung änderte und zurück zu ihrem Auto lief. Diana war zum Glück vollkommen in ihrem eigenen Drama gefangen.
Mit klopfendem Herzen fuhr Becca hinter ihr vom Parkplatz, wobei sie sich zwang, einen diskreten Sicherheitsabstand zu wahren. Sie musste nicht weit fahren. Diana hielt vor der nächsten Raststätte, einem schäbigen, fensterlosen Betongebäude mit einem Neonschild, auf dem »Starlight Lounge« stand.
Becca parkte so nah davor, wie sie es wagen konnte, und kauerte sich in ihren Sitz. Das Handy an ihr Ohr gedrückt, beobachtete sie, wie Diana ihre Brille abnahm, die Hände vors Gesicht schlug und zehn Minuten lang weinte. Plötzlich sprang sie aus dem Auto, rannte an den Straßenrand und übergab sich.
Aus unfreiwilliger Anteilnahme zuckte Becca zusammen. Scheußliche Sache. Also gehörte Diana der Mächtigen Schwesternschaft von Stresskotzern an. Dumm für sie, dass sie sich für ein Leben in widerwärtiger Kriminalität entschieden hatte. Wenn sie mit diesem Mist weitermachte, würde sie ihren Mageninhalt bald regelmäßig überallhin verteilen.
Diana tupfte sich das Gesicht mit einem Papiertaschentuch ab und torkelte in die Bar. Becca stieg aus dem Wagen. Sie fühlte sich wie eine Marionette, deren Fäden von einer unbekannten Macht gezogen wurden. Sie schlenderte zu Dianas Auto und spähte ins Innere.
Der Beifahrersitz war eine einzige Müllhalde: Pappkaffeebecher, eine Sonnenbrille, ein Kamm, mit Wimperntusche befleckte Papiertücher, die aufgerissene Verpackung eines digitalen Diktiergeräts. Die Kunststoffkugel, die den kleinen Rekorder enthalten hatte, war leer.
Eine verrückte, unausgereifte Idee nahm langsam Gestalt an, als sie auf die Sonnenbrille starrte. Becca musterte ihr Spiegelbild in Dianas Autofenster. Ihre eigenen Haare waren etwas kürzer und nicht ganz so voluminös, aber … hmmm.
Ein Teil von ihr schrie: Nein! Stopp! Niemals! Denk nicht dran!
Der Rest von ihr brüllte: Tu es, bevor dich der Mut verlässt, du elendes Weichei! Tu es!
Sie schaute sich nach einem großen Stein um, entdeckte einen in sicherem Abstand von Dianas Erbrochenem und nahm ihren ganzen Mut zusammen. Das hier würde der härteste Teil werden. Er verstieß komplett gegen ihre soziale Konditionierung. Falls jemand sie dabei erwischte, wie sie das Wagenfenster einer fremden Frau einschlug, würde sie einfach kreischen: Diese Schlampe vögelt meinen Mann!
Mit weißen Fingern und zitterndem Arm hob sie den Stein … und zögerte. Sie streckte die andere Hand aus und versuchte, die Tür zu öffnen.
Unverschlossen. Herrgott! Jeder Stresskotzer müsste eigentlich wissen, dass eine Frau, die sich gerade die Seele aus dem Leib gereihert hatte, vermutlich nicht die Geistesgegenwart besaß, ihr Auto abzusperren. Es sei denn, sie wäre Superwoman. Und Superwoman übergibt sich nicht. Daher Fehlanzeige – keine Superwoman in der Schwesternschaft.
Becca fühlte sich wie eine unglaubliche Idiotin. Sie hatte sich so sehr in diese Sache hineingesteigert, dass sie zitterte. Sie durfte nicht länger zögern. Sie schnappte sich die Sonnenbrille und den Lippenstift. Jetzt war sie offiziell eine Diebin. Es fühlte sich seltsam an.
Sie rannte zurück zu ihrem Wagen, schoss aus der Parklücke und raste mit quietschenden
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