Spiel Satz Tod - Kriminalroman
geschlagen. Der heisere Ruf einer Grackel drang durch das Fenster, der genauso zum Sommer in Austin gehört wie das Zirpen der Zikaden.
Kyla prustete entrüstet. »Du bist so unbedarft. Nehmen wir zum Beispiel Colin. Du gibst dir überhaupt keine Mühe mit ihm, aber er kann kein Auge von dir lassen.«
»Red keinen Unsinn. Er ermittelt in einem Fall. Aber natürlich muss ich ihn total faszinieren«, fügte ich hinzu.
»Wahrscheinlich denkst du, er hilft jedem so aufopferungsvoll. Ist dir klar, dass er gestern dienstfrei hatte?«
»Nein, er war im Dienst. Er hat gesagt, er sei zu meinem Schutz abgestellt.«
Entrüstet schüttelte sie den Kopf. »Mein Gott, dir kann man aber auch alles erzählen. Wenn ich es nur deiner Kopfverletzung zuschreiben könnte, aber du bist ja immer so.«
Ich überlegte, was sie da gesagt hatte. Ob Colin wirklich nicht im Dienst war? Und wenn, warum hatte er dann gelogen?
Jetzt bemerkte ich, dass Kyla eine Reaktion auf ihre Beleidigung erwartete. Ich schoss einen wütenden Blick in ihre Richtung und machte eine drohende Geste.
»Ist ja gut, ist ja gut«, rief sie und hob die Hände. »Ich sage nichts mehr. Zumindest vorerst.«
Ich stellte meine Müslischüssel und den Kaffeepott in das Spülbecken. »Nicht dass ich dich nicht gern sehe, aber was willst du eigentlich?«
»Dich zum Shoppen abholen«, sagte sie grinsend. »Am Wochenende vor Labor Day purzeln die Preise, und alle Geschäfte haben zeitig geöffnet.«
Das interessierte mich schon. Einkaufen mit Kyla bedeutete, einer großen Meisterin zuzuschauen. Sie ist in ihrem Beruf sehr erfolgreich, und Geld spielt für sie keine Rolle. Aber sie hat ein Auge für Stil und versteht zu feilschen, dass jeder Handel zu einem Abenteuer wird. Außerdem hatte ich nichts dagegen, mein verwüstetes Haus für ein paar Stunden zu verlassen und mich ein wenig abzulenken.
»Ich komme mit«, sagte ich gutgelaunt. »Was willst du kaufen?«
»Um dich geht es«, sagte sie und umfasste mit großer Geste mein ganzes Haus. »Wir müssen dich doch neu einrichten.«
Ich biss mir auf die Lippen. »Das geht nicht. Bis die Versicherung zahlt, kann es Wochen dauern.«
Sie lachte nur. »Monsieur MasterCard und ich pfeifen drauf. Ich zahle.« Sie hob die Hand, bevor ich protestieren konnte. »Du kannst es mir doch zurückgeben, wenn du den Scheck von der Versicherung hast. Los, nimm deine Tasche. Wir gehen.«
Und wir machten uns auf den Weg. Nach einer Stunde hatte ich einen neuen Fernsehapparat, eine Playstation, die laut Kyla zugleich der beste DVD-Player war, und einen Computermonitor, so groß, dass Astronauten aus dem Weltraum darauf gewiss eine E-Mail lesen konnten. Als die zweite Stunde herum war, besaß ich eine neue Couch, deren Preis Kyla bis auf ein Drittel heruntergehandelt und für die sie Lieferung frei Haus sowie die Entsorgung des alten Sofas als Bonus erhalten hatte. Danach fuhren wir erst einmal zu mir zurück, um die elektronischen Geräte auszuladen, und machten uns dann zur Domain im Norden von Austin auf, der versnobtesten Luxusmeile von ganz Texas.
Als wir in die Braker Lane einbogen und mir klar wurde, wohin es ging, protestierte ich entschieden. »Hier kann ich nichts kaufen. Und ich denke, du auch nicht. Hier muss man doch eine goldene Kreditkarte haben, um überhaupt ins Parkhaus zu kommen!«
Kyla lachte nur. »Vielleicht. Aber heute ist ein besonderer Tag, da steht uns selbst diese königliche Enklave offen. Alle Sommerklamotten sind preisgesenkt, obwohl es draußen noch über dreißig Grad sind. Wir brauchen beide ein paar neue Sachen.«
Ich folgte ihr auf den von Bäumen überschatteten Gehwegen von einem Designershop zum anderen. Dabei bewunderte ich Kylas Selbstsicherheit und Geschmack. Mein verunstaltetes Gesicht fiel viel weniger auf, als ich befürchtet hatte. Manchmal vergaß ich es ganz und gar.
Das sagte ich Kyla, die darüber ein wenig sinnierte.
»Die denken bestimmt, dass dich entweder dein Sugar-Daddy verprügelt hat oder eine Botox-Behandlung schiefgegangen ist. Ich wette, die bekommen hier noch viel Schlimmeres zu sehen.«
In rascher Folge nahm sie drei Kleider von einem Ständer und hielt sie mir hin. »Zieh die mal an«, befahl sie.
Ich hatte bereits drei Läden vorher allen Widerstand aufgegeben. Gehorsam betrat ich also eine geräumige, mit Teppich ausgelegte Kabine und begann meine Sachen abzulegen. Es konnte nicht schaden, einmal etwas Neues zu probieren. Ich musste es ja nicht kaufen. Ich hörte, wie
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