Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
darauf ein. Seine Abschlussprüfungen in Oxford lagen vor ihm und danach ein Jahr in Harvard, wenn alles gut lief. Diesmal würde er nicht all die wichtigen Dinge vergessen, die ihm sein Vater beigebracht hatte. Gefühle würden seinen Zielen nicht mehr im Weg stehen.
Das Telefon klingelte, und stirnrunzelnd hob Saul den Hörer ab. „Ah, Saul. Gut, dass ich Sie zu Hause antreffe.“ Als er Sir Alex’ Stimme erkannte, wurde er noch misstrauischer.
Es passte zu diesem Mann, dass er sich nicht mit seinem Namen meldete. Selbstherrlich nahm er an, dass er sich nicht vorzustellen brauchte.
„Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Sie schon auf dem Weg nach Cheshire seien.“ Feingefühl ist noch nie seine starke Seite gewesen, überlegte Saul. Jedenfalls nicht, wenn es sich um Menschen und nicht um Geschäfte handelt. Um zu überzeugen, verließ Sir Alex sich lieber auf direkte Drohungen als auf kleine Hinweise.
„Sie haben unsere Unterhaltung doch nicht etwa vergessen?“, fragte er scharf nach, als Saul nichts erwiderte. „Oder leiden Sie schon wieder unter Gewissensbissen?“
„Ich fahre nach Cheshire, sobald ich hier alles Nötige erledigt habe“, teilte Saul ihm kühl mit.
Dabei gab es nicht viel, was er noch unbedingt erledigen musste. Er wusste bereits genug über Carey’s, doch innerlich regte ihn Sir Alex’ herrischer Tonfall auf. Die Art des alten Mannes missfiel ihm immer mehr. Es gab wenig, das Saul an sich selbst mochte oder bewunderte, aber er wusste in diesem Moment genau, dass er auf keinen Fall wie Sir Alex werden wollte.
Und dabei hatte er jahrelang nur auf das eine Ziel hingearbeitet: eines Tages die Firma von Sir Alex zu übernehmen, wenn dieser sich zurückzog. Doch das bedeutete nicht, dass er so werden musste wie der alte Mann.
Auf Sir Alex’ Schreibtisch stand ein Foto seiner Tochter, das bei ihrem Examen in Cambridge aufgenommen worden war. Sir Alex war bei der Verleihung nicht dabei gewesen. Er hatte geschäftlich zu tun gehabt. Vor über zwanzig Jahren hatten seine Frau und er sich scheiden lassen, und soweit Saul wusste, beschränkte sein Kontakt zu seiner Tochter sich auf weihnachtliche Glückwunschkarten. War es das, was Saul sich wünschte? Wollte er so eine Beziehung zu seinen Kindern?
Zum ersten Mal hörte er aus dem kühlen Tonfall seines Arbeitgebers eine Art Einsamkeit heraus. Sie waren beide Männer, die in den Augen ihrer Umwelt erfolgreich und beneidenswert waren, aber abgesehen von ihren Jobs, was blieb ihnen im Leben?
Eine lange Zeit noch saß Saul nach dem Telefonat reglos da.
Neben ihm auf dem Tisch lag ein schmaler Ordner mit den wichtigsten Zahlen von Carey Chemicals. Er nahm ihn hoch, schlug ihn auf und fing an zu lesen.
Er las schnell und stockte nur ein paarmal. Einmal, als er las, wie das Unternehmen ursprünglich gegründet worden war, ein zweites Mal, als er von Gregory James’ schweren Verlusten mit den Wertpapiergeschäften las, und ein drittes Mal, als er erfuhr, dass die Gesellschaft jetzt von der Witwe, der Enkelin des Gründers, geleitet wurde, von Davina James.
Sie würde verkaufen wollen. Das musste sie. Ihr blieb kein anderer Ausweg. Das Unternehmen stand am Rand des Bankrotts, und Saul konnte sich bereits denken, zu welcher Art Frau sie gehörte. Die Agenten, die sich für Sir Alex umgehört hatten, hatten ganze Arbeit geleistet. Sie hatten keine Einzelheiten über Gregory James’ zahlreiche Affären herausbekommen. Es gab nur ein paar Hinweise darauf, dass er praktisch während seiner gesamten Ehe untreu gewesen war. Anscheinend hatte seine Frau davon gewusst.
Saul meinte, dass er diese Frauen kannte. Er hatte im Lauf der Jahre genug von ihnen getroffen. Sie waren elegant, empfindlich, sehr dünn, verkrampft und teuer gekleidet. Sie erinnerten ihn an zerbrechliche Porzellanfiguren. Man hatte immer den Eindruck, sie würdenzerfallen, wenn man ihnen das wirkliche Leben zeigte.
Einige von ihnen sahen im Sex einen Trost für das fehlende Interesse ihrer Ehemänner, andere fingen an zu trinken, ein paar fanden eine gute Arbeit. Aber keine von ihnen, so schien es Saul, wagten es, den einfachen Schritt zu tun und sich aus der Zerstörung und Erniedrigung durch ihre Ehe zu lösen, indem sie sich von ihren Ehemännern scheiden ließen. Reichtum, gesellschaftliche Stellung und ihr Auftreten war ihnen anscheinend wichtiger als Stolz und Selbstachtung.
Einmal hatte er den Fehler gemacht, das Christie zu sagen. Sie war sofort auf ihn
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