Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
das Thema zu wechseln.
„Einkaufen? Während Carey’s pleitegeht und die Menschen ihre Jobs verlieren?“, stichelte Lucy.
Mehr aus Verwirrung als aus Schuldbewusstsein errötete Davina. Lucy benahm sich doch absichtlich schwierig, fast kindisch. Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass in Lucy noch viel von einem Kind steckte. Es lag an dieser Mischung aus kindlicher Direktheit und weiblicher Sinnlichkeit, dass Lucy so anziehend wirkte.
Sie versuchte es noch einmal.
„Lucy, es tut mir leid, wenn es dich so aufregt, dass Giles noch eine Weile für Carey’s arbeiten will.“
„Dann war es also Giles’ Entscheidung, ja?“, hakte Lucy sofort nach.
Das klang so verbittert, dass Davina todunglücklich wurde. Es war ein Fehler gewesen, Giles zum Bleiben zu überreden, aber welche andere Möglichkeit hätte sie gehabt? Wenn er ging, brach das Unternehmen zusammen. Es gab niemanden, der seine Arbeit übernehmen konnte. Das versuchte sie Lucy zu erklären, doch die weigerte sich zuzuhören.
„Giles tut es nicht für Carey’s, Davina“, unterbrach sie erbost. „Er tut es für dich. Du weißt es und ich auch. Selbst Gregory wusste es.“
Davina konnte den Schock nicht verbergen. Sie riss die Augen auf und verkrampfte sich. Mit heiserer Stimme fragte sie nach: „Was meinst du damit?“
„Ach, komm, Davina. Giles muss dir doch von seinen Auseinandersetzungen mit Gregory über dessen Leitung der Firma erzählt haben. Giles fand es nicht gut, wie Gregory das Firmenkapital aufs Spiel gesetzt hat. Er war um deine Zukunft besorgt. Um deine Sicherheit. Er hat Gregory sogar gedroht, er werde dir erzählen, was vor sich ging. Wenn Gregory länger gelebt hätte, hätteer Giles entlassen, und Giles wusste das. Glaubst du ernsthaft, dass Giles das alles der Firma zuliebe getan hat? Nicht um Carey’s macht Giles sich Sorgen, sondern um dich, Davina.“
„Nein. Nein, das ist nicht wahr.“ Doch gleichzeitig kam Davina sich wie eine Verräterin vor, die nicht nur Giles, sondern auch Lucy das Recht absprach, ihren Schmerz und Kummer auszusprechen.
Als sie ging, hatte sie den Eindruck, als habe sie die ganze Situation nur noch verschlimmert. Das Letzte, woran sie dachte, war eine Affäre mit einem verheirateten Mann, besonders, wenn die Ehefrau eine Freundin von ihr war. Das musste Lucy doch wissen. Natürlich mochte sie Giles. Und sie fühlte sich auch geschmeichelt, dass er sich so offensichtlich um sie sorgte, aber mehr nicht.
Abgesehen davon, dass sie Giles’ Sorge um sie ausgenutzt hatte, um ihn in der Firma zu halten. Und offenbar tat Giles Lucy mit seiner Sorge für Davina weh. Und für den Schmerz anderer Menschen wollte sie auf keinen Fall verantwortlich sein.
Durchs Fenster blickte Lucy Davina nach. Eigentlich sollte sie Davina hassen, aber das konnte sie nicht. Dazu hatte sie zu viel Angst. Was, wenn Giles sie verließ? Sie liebte ihn, daran würde sich nie etwas ändern, aber es hatte sich so viel zwischen ihnen geändert. Und Lucy wusste, dass sie manchmal absichtlich versuchte, ihn von sich fortzutreiben. Doch der Schmerz in ihr war einfach zu groß. Er war unerträglich und fraß sie von innen her auf. Dann wurde sie so verzweifelt, dass sie sich irgendwie abreagieren musste, und dazu benutzte sie unweigerlich Giles.
Nein, Lucy konnte ihm keine Schuld geben, wenn er sie wegen Davina verließ. Davina war älter als sie, aber jung genug, um ihm Kinder zu schenken. Söhne.
Die Welt vor dem Fenster verschwamm, als ihr Tränen in die Augen stiegen. Männer sehnten sich nach Söhnen. Mehr als nach Töchtern. Das hatte Lucy schon im Alter von sechs Jahren gelernt. An jenem Tag hatte ihre Mutter ihr gesagt, dass ihr Vater sie verlassen hatte, um bei jemand anderem zu leben.
Zunächst hatte Lucy ihre Mutter nicht verstanden, als die ihr erzählte, dass ihr Vater noch mehr Kinder habe. Dass sie zwei Halbbrüder habe, Zwillinge, die fünf Jahre jünger als Lucy seien. Wie konnte eine Tochter für einen Mann wichtig genug sein, um so einer Konkurrenz standzuhalten.
„Wann kommt Daddy nach Hause?“, hatte sie ihre Mutter immer wieder gefragt, bis die sich schließlich umdrehte und schrie: „Nie wieder! Hörst du? Nie. Er mag uns nicht mehr. Er mag dich nicht. Jetzt hat er andere Kinder, zwei Söhne, und die bedeuten ihm mehr als du und ich.“
Damals hatte Lucy sich gefürchtet, weil sie wusste, dass sie als Mädchen niemals so sehr geliebt werden würde wie ein Junge.
Laut ihrer Mutter war sie ein aufsässiges
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