Spiel um Macht und Liebe (German Edition)

nahestand. Und obwohl sie damals ihre Mitschülerinnen aus reichem Elternhaus oft beneidet hatte, schien ihr ihr Besitz überhaupt nichts zu bedeuten.
    „Menschen brauchen keinen Reichtum“, sagte sie oft. „Sie brauchen Liebe und Gesundheit und die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu nutzen. Es ist wichtig, dass sie von ihrer Umgebung respektiert werden.“ Christie fand, dass es dem Menschen durch zu viel Geld genauso schwerfiel, das Leben zu genießen, wie den Menschen, die zu wenig Geld hatten. Natürlich empfand sie mehr Mitgefühl für diejenigen, die zu wenig hatten. Schließlich hatten zu reiche Leute die Möglichkeit, etwas an ihrer Lage zu ändern, indem sie mit dem Geld etwas für andere taten. Menschen in Armut besaßen diese Möglichkeit nicht.
    Innerlich lächelte Saul, während er auf Christies Haus zufuhr. Was würde seine Schwester von Davina James halten? Die beiden waren vollkommen unterschiedlich. Christie arbeitete hart und zielstrebig für ihre Unabhängigkeit und zum Wohl der Menschen. Ihr einzig wunder Punkt war ihre Tochter Cathy, die vielleicht auch ihre eigenen Ziele leidenschaftlich verfolgte. Christie nahm jede mögliche Rücksicht auf die Persönlichkeit ihrer Tochter.
    Davina James war dagegen die Tochter aus reichem Hause, die nie gearbeitet hatte und immer versorgt gewesen war. Aus einer beschützten Kindheit war sie direkt in eine beschützende Ehe gegangen. Diese Frau besaß von Natur aus so wenig Gefühl, dass sie die Augen vor den zahlreichen Affären ihres Manns verschlossen hatte.
    Unbehaglich rutschte Saul auf dem Sitz herum. Es gab keinen Grund, weshalb ihn dieser Gedanke so wütend machte. Sie war ja nicht die Einzige mit diesem Problem. Saul kannte einige Paare, deren Ehe nach außen hin problemlos und glücklich wirkte, während die Partner in Wirklichkeit nichts als Gleichgültigkeit füreinander empfanden. Wieso blieben solche Paare zusammen? Er runzelte die Stirn, als er in Christies Auffahrt bog.
    Was kümmerte es ihn, weswegen Davina James bei ihrem Ehemann geblieben war? Ihre Ehe war für die Kaufabsicht von Sir Alex völlig belanglos. Aber es hatte Saul beunruhigt, sie als Frau zu spüren, weich und verletzlich. Und verteidigend hatte sie sich bei der Berührung sofort verspannt, als sie mit ihm zusammenstieß. Dabei hatte er sie in keiner Weise bedroht.
    Wir konnte so eine Frau, die so stark und gefühlvoll reagierte, in der Gleichgültigkeit leben, mit einem Mann verheiratet zu sein, der sie betrog? Oder war sie körperlich so kalt, dass ihr seine Untreue nur gelegen gekommen war?
    Sein Unterbewusstsein lehnte diesen Gedanken so schnell ab, dass Saul wieder wütend wurde. Vergiss diese Frau, sagte er sich, während er den Wagen anhielt. Sie ist nicht wichtig. Und wie war es mit seiner eigenen, fast verzweifelten Unzufriedenheit über sein Leben? War ihm das auch unwichtig?
    Er stieg aus und schlug die Tür stärker als nötig zu. Vor dem Haus gingen Lichter an, während er darauf zuging, und die Haustür flog auf. Cathy kam auf ihn zugelaufen und warf sich ihm in die Arme. Das war bei seiner eigenen Tochter unvorstellbar. Manchmal wunderte Saul sich darüber, dass seine aufbrausende Schwester dieses liebe, ausgeglichene Kind hatte, das so offen zeigte, wie sehr es sich am Leben freute. Josey dagegen …
    Als er sich bückte, um die Umarmung zu erwidern, verdrängte er einen Anfall von schlechtem Gewissen. Wie viel Schuld trug er selbst an der spöttischen, auf Geld ausgerichteten Art von Josey? Ja, sie war älter als Cathy, und sie lebte in einer anderen Umgebung, aber das änderte nichts daran, dass Cathy glücklich war und seine eigenen Kinder nicht.
    „Mum musste noch zu einem Notfall ins Krankenhaus“, teilte Cathy ihm mit, während sie zusammen ins Haus gingen. „Sie hat aber gesagt, es wird nicht lange dauern.“
    „Heißt das, der Drache ist hier?“, fragte Saul lächelnd nach.
    Es war ein alter Witz zwischen ihnen. So hatten sie die gesetzte und korrekte Witwe getauft, die als Babysitter auf Cathy aufpasste, wenn Christie nicht zu Haus war.
    Saul wusste, dass die Frau unter ihrer rauen Schale Cathy und Christie von ganzem Herzen mochte, aber sie gehörte zu der aussterbenden Art Frau, die ihre Ablehnung Männern gegenüber deutlich zeigten. Es war schon schwer genug, sich vorzustellen, dass sie einmal verheiratet gewesen war, aber noch dazu sprach sie immer von ihrem Ehemann als dem „verblichenen Mr Lynch“, und Saul hatte oft überlegt, ob sie