Spiel um Sieg und Liebe
diese Straßen gehen, dachte er plötzlich und wunderte sich über sich selbst.
Normalerweise hatte Tad keinen Sinn für Geschichte – es sei denn, es handelte sich um Tennisgeschichte. Gonzales, Gibson, Perry, das waren Namen, die ihm etwas sagten. Caesar, Cicero oder Augustus dagegen waren Gestalten, an die er sich nur undeutlich aus dem Geschichtsunterricht erinnerte. Er dachte sogar wenig an seine eigene Vergangenheit – geschweige denn an die Welt der Antike. Bis Amy in sein Leben getreten war, hatte er immer nur von einem Tag zum anderen gelebt, hatte nicht über das nachgedacht, was vorbei war, und auch nicht über das, was die Zukunft ihm noch bescheren würde.
Als kleiner Junge allerdings war ihm die Zukunft wichtig gewesen. Ständig hatte er sich ausgemalt, was er tun würde, wenn … Aber dann, als er sein Ziel erreicht hatte, war nur noch die Gegenwart wichtig gewesen. Bis … ja, bis Amy aufgetaucht war. Da hatte er den nächsten Tag nicht erwarten können, an dem er sie endlich wiedersah.
Geboren und aufgewachsen war Tad Starbuck im rauen Arbeiterviertel von Chicago. Er hatte schnell gelernt, sich mit allen Mitteln durchzuboxen und alle Tricks und Kniffe anzuwenden, um auf den Straßen dieses Viertels zu überleben. Manchmal war es ihm nur mit viel Glück gelungen, nicht mit den Gesetzen in Konflikt zu geraten, und eigentlich hatte er es nur seiner ausgeprägten Abneigung gegen organisierte Gruppen zu verdanken, dass er nicht kriminell geworden war.
Tad hatte sich von klein auf sehr schlecht unterordnen können, andererseits hatte er aber auch nie das Verlangen verspürt, andere um sich zu scharen und den großen Boss zu markieren. Es war ihm daher leicht gefallen, allen Anwerbungsversuchen der verschiedenen Straßenbanden zu widerstehen, auch wenn diese Versuche manchmal recht massiv wurden.
Aber nicht nur dieser Wesenszug hatte ihn vor einem schlimmen Schicksal bewahrt, da war auch noch die Liebe zu seiner Familie. Seine Mutter, eine ruhige, sehr charakterstarke Frau, hatte abends spät noch Büros putzen müssen, um ihre beiden Kinder großziehen zu können. Seiner vier Jahre jüngeren Schwester gegenüber hatte Tad sich immer als der große Beschützer und Vaterersatz gefühlt. Die Erinnerungen an seinen Vater waren bei Tad schon verblasst, als er noch ein kleiner Junge war.
Schon sehr früh hatte er sich als Familienoberhaupt gefühlt und ganz selbstverständlich auch die damit zusammenhängenden Pflichten übernommen. Schon damals hatte Tad sich geschworen, eines Tages so viel Geld zu verdienen, dass er Mutter und Schwester ein Haus kaufen und sie aus dieser Gegend wegholen könnte. Damals war ihm noch nicht klar, wie er das je schaffen sollte, und auch als er die Antwort zum ersten Mal in Form eines Schlägers in der Hand hielt, war ihm das noch nicht klar geworden.
Ada Starbuck hatte ihrem Sohn zum zehnten Geburtstag einen billigen Tennisschläger mit Nylonbespannung gekauft. Später hatte sie selbst nicht mehr sagen können, wie sie auf diese Idee gekommen war. Sie wollte ihm etwas anderes schenken zu diesem runden Geburtstag als immer nur die Socken und Unterwäsche, die er sowieso brauchte. Sie hatte ihm etwas schenken wollen, womit er sich beschäftigen konnte, damit er nicht eines Tages doch auf die schiefe Bahn geriet, wie so viele Jungens aus der Nachbarschaft.
Sie kannte ihren Sohn sehr gut und wusste, dass ein Mannschaftssport wie Fußball oder Baseball ihn nie würde reizen können. Er war ein Einzelgänger, und wenn sie ihn überhaupt für Sport interessieren konnte, dann kam nur etwas in Betracht, das er auch allein spielen konnte. Ihn in einen Tennisclub zu schicken, dafür fehlte das Geld, aber den Ball gegen eine Wand zu spielen, das war möglich.
Und sie hatte Erfolg. Tad nahm sich gerade noch Zeit für die Schule, Essen und Schlafen. Ansonsten verbrachte er seine freien Stunden damit, mal mit Wucht, dann wieder überlegt und platziert, den Ball an eine Hauswand zu schlagen.
Er merkte selbst, dass seine Schläge immer besser wurden, dass er die Stärke seiner Schläge von Mal zu Mal besser variieren konnte. Schließlich war ihm das nicht mehr genug. Er ging zu einem Tennis-club, sammelte für ein paar Cents Stundenlohn die Bälle auf und beobachtete dabei die Spieler sehr genau.
Eines Tages kam er zu der Überzeugung, dass er genauso gut spielen könne wie die Leute in dem Club. Er überredete einen Jungen seines Alters, auf einem gerade nicht benutzten Platz ein
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