Spiel um Sieg und Liebe
ist er für alle der Favorit.« Chuck warf einen Tennisball in die Höhe und fing ihn wieder auf.
»Du wirst es schon schaffen«, meinte Amy. »Immerhin hast du deine Erfahrung gegen seine Jugend zu setzen«, fügte sie noch hinzu.
»Ich werde ihn vom Platz fegen«, prophezeite Chuck und reckte seinen rechten Arm in die Luft. »Und sollte mir das wirklich nicht gelingen, überlasse ich es eben Tad, ihn aus dem Wettbewerb zu werfen.«
Amy schnappte sich den Ball, als Chuck ihn erneut in die Luft warf. »Bist du sicher, dass Tad ins Endspiel kommt?«
»Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche«, antwortete Chuck. »Das ist sein Jahr, ich glaube, ich habe ihn noch nie besser spielen sehen als in dieser Saison.«
Amy gab keine Antwort. Sie blickte hinunter auf ihre Füße. Der Wind hatte Blütenblätter über den Platz geweht, und sie berührte sie ganz vorsichtig mit ihrer Schuhspitze. Es war noch früh am Morgen, und das große Stadion lag leer und verlassen da. In einigen Stunden würden sich die Ränge füllen. Vierzehntausend Zuschauer passten in das Tennisstadion der französischen Hauptstadt, und sicherlich würden auch heute wieder alle Plätze besetzt sein. Wenn das Publikum sich ruhig verhielt, konnte man die Geräusche der Autos auf der angrenzenden Straße hören, die die Anlage vom Bois de Boulogne trennte.
In der ersten Woche des Turniers wurde täglich etwa elf Stunden lang ununterbrochen Tennis gespielt. Selbst diejenigen, die nach dieser Woche ausgeschieden waren, konnten sich nicht beklagen, zu selten auf dem Platz gewesen zu sein. Nicht umsonst hatte das Turnier in Paris unter den Profis den Ruf, das schwierigste überhaupt zu sein. Tad und Amy hatten beide schon einmal hier gewonnen und wollten den Sieg in diesem Jahr wiederholen.
Paris und Tad! Es gab nichts, was in Amy mehr Erinnerungen wachrief, als diese Kombination. In dieser Stadt hatten sie einen Abend im Kino verbracht, ohne von dem Ingmar-Bergman-Film auch nur eine Szene zu sehen. In Paris hatte Tad es geschafft, sie kurz vor einem Spiel so geschickt zu massieren, dass die schlimme Muskelverhärtung sie nachher auf dem Platz nicht mehr um den Sieg bringen konnte. In Paris hatten sie sich geliebt – immer wieder und so lange, bis sie beide völlig erschöpft eingeschlafen waren. In der Stadt der Liebe hatte Amy noch daran geglaubt, dass ihre Romanze mit Tad glücklich enden würde.
Amys Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sie ihren Blick durch das Stadion schweifen ließ und plötzlich Jess sah. Auf die Entfernung starrten beide Frauen sich an – unfähig, sich zu rühren und aufeinander zuzugehen.
»Da ist ja Jess!« Chuck winkte hinüber und griff dann nach Amys Arm. »Komm, lass uns zu ihr gehen.«
Plötzlich kam wieder Leben in Amy. »Nein, ich … ich muss weg«, protestierte sie, als Chuck sie mit sich ziehen wollte. »Geh du nur zu ihr. Bis später.« Damit riss sie sich los und stürmte davon.
Wie von Furien gehetzt, rannte Amy vom Platz und hielt erst wieder inne, als das Stadion bereits weit hinter ihr lag. Sie atmete tief durch und schalt sich selbst, dass sie davongelaufen war. Aber es war ihr einfach nicht möglich gewesen, Tads Schwester gegenüberzutreten – dem einzigen Menschen, der den Grund kannte, warum sie sich damals von Tad getrennt hatte.
Sie musste sich jetzt erst wieder beruhigen, vielleicht war es ihr dann möglich, Jess zu begrüßen. Amy war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass ihr aufgefallen wäre, dass auch Jess recht schockiert reagiert hatte. Sie kam gar nicht auf die Idee, sich zu fragen, wieso.
Amy wollte nicht mehr an den Sommernachmittag denken, als sie Jess Starbuck zum letzten Mal gesehen hatte. In diesem unordentlichen Hotelzimmer, das sie mit Tad geteilt hatte, und in dem ihr dann Jess gegenübergestanden hatte. Keines der Worte, die damals gefallen waren, hatte sie vergessen – und auch nicht den unendlichen Schmerz, den sie in ihr ausgelöst hatten.
Ja, Tad hatte recht, sie war wirklich davongelaufen, aber sie hatte ihm nicht für immer entgehen können. Eigentlich hatte sich alles in diesen drei Jahren verändert – und doch wieder gar nichts, wenn es um Tad und sie ging. Seufzend gestand Amy sich ein, dass sie ihrem Herzen keine Befehle geben konnte. Tad war der erste Mann in ihrem Leben gewesen, und er würde immer der einzige bleiben, den sie geliebt hatte.
Sie hatte ein Kind von ihm getragen und es dann verloren, bevor es noch geboren wurde. Niemals
Weitere Kostenlose Bücher