Spiel ums Glueck
Unterschied, ob man jemanden ausnutzt oder sich wie ein verzogenes, aufsässiges Kind benimmt“, belehrte Amariah die Schwester. „London ist nicht Woodbury, und du kannst die Gentlemen hier nicht wie die jungen Männer bei uns auf dem Land behandeln. Hier wird es immer eine Dame geben, die hübscher und unterhaltsamer ist, und die Londoner Herren werden nicht so nachsichtig sein mit dir, wenn du dich zu benehmen vergisst. “
„Ich war nicht bei ,Christie’s, um unterhaltsam zu sein“, versetzte Cassia gekränkt und trat auf die Schwester zu, „sondern um ein Gemälde zu ersteigern.“
„Trotzdem kann ich mir lebhaft vorstellen, was der Gentleman von dir denkt.“ Amariah streckte die Hand vor und zog Cassia zu sich. „Ich weiß, du bist unser Nesthäkchen, Cassia, und du hast die letzten Tage und Wochen ebenso hart gearbeitet wie Bethany und ich - vielleicht sogar härter. Und ich weiß, wie fest entschlossen du sein kannst, wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast.“
Cassia senkte den Blick. Zu ihrem Verdruss kam ihr das Bild des unverschämten Gentleman prompt noch einmal vor Augen. Wenn ich nicht so ... so schnippisch zu ihm gewesen wäre, dann hinge „Die Wahrsagerin“ jetzt womöglich hier an seinem Platz und ich müsste nicht auf diese leere Wand starren, überlegte sie unsicher und warf der Schwester einen verstohlenen Blick zu. „Aber ich habe nicht ...“
„Schweig und hör mir zu“, forderte Amariah sie mit sanfter Stimme auf. „Wir sind nach London gekommen, um Vater zu ehren, indem wir ,Penny House“ zum Erfolg führen und damit auch seine Wohltätigkeitsarbeit aufrechterhalten. Dieses Ziel hat vor allem anderen Vorrang. Weder das vermeintlich schlechte Gebaren noch die Ignoranz eines Gentleman uns gegenüber darf dem im Weg stehen. Wenn du heute Abend deine gute Erziehung vergisst, nun, dann wird es über diese unmöglichen Frauen von ,Penny House“
sofort Gerede geben, und alles wird verloren sein.“
„Nicht die Frauen, sondern ich.“ Cassia stieß einen Seufzer aus. Allmählich wich ihre Wut, und sie fuhr leise fort: „Du hättest mich zu ,Christie’s“ begleiten sollen, Amariah. Dann wäre es viel leichter gewesen. Du bist einfach die Ruhe selbst.“
„Ich verberge den Rest, das ist alles.“ Amariah lächelte und drückte sacht Cassias Hand. „Du wirst heute Abend ganz von vom beginnen. Und bevor du handelst oder sprichst, denk nach - womöglich sogar ein zweites Mal. Dann passiert dir kein Fauxpas.“
„Ich werde mich bemühen, Amariah“, versprach Cassia aufrichtig. „Um unsertwillen und natürlich Vater zuliebe werde ich mein Bestes geben. “
Ein Neuanfang, genau den brauchten sie alle, und aus diesem Grund waren sie nach London gekommen. Es war unwahrscheinlich, dass Cassia den dunkelhaarigen Gentleman - den diebischen Piraten - jemals wiedersah. Doch sein unmögliches Gebaren würde sie zukünftig daran erinnern, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen musste.
Und sie schwor sich insgeheim, das frevelhaft gute Gefühl aus ihrem Herzen zu verbannen, bei „Christie’s“ das letzte Wort gehabt zu haben.
3. Kapitel
Richard lehnte sich mit einem Glas Bordeaux in den weich gepolsterten Stuhl und streckte die Beine aus. Seine Stimmung war bereits während des Dinners zunehmend düster geworden, obgleich es eigentlich keinen Grund für ihn gab, übellaunig zu sein: Sein Appartement im „Clarendon“ war das exklusivste, welches das Hotel zu bieten hatte, die lodernden Flammen im Kamin erinnerten ihn an die Glut der karibischen Sonne, und das Dinner hatte einer der besten Köche der Stadt zubereitet. Sein Tag war erfolgreich gewesen, denn er hatte bekommen, was er wollte, und das begehrte Objekt stand nun, auf zwei zusammengeschobenen Stühlen abgestellt, ihm gegenüber.
Indes waren die luxuriösen Räumlichkeiten dieses Hotels ebenso vollgestellt mit Möbeln und überdekoriert wie die in einem der teuren Freudenhäuser der Stadt. Das fortwährend brennende Feuer ließ die Luft in seinem Salon so stickig werden, dass er trotz der niedrigen Temperaturen die Fenster weit öffnen musste, um nicht in Atemnot zu geraten. Und das vortreffliche Dinner, das ihm auf das Zimmer gebracht worden war, stand höchstens zur Hälfte aufgegessen auf dem Tablett neben ihm. Selbst der Wein schien ihm nicht die Laune zu heben, was er in Anbetracht der zusätzlichen Unkosten, die ihm dafür entstanden waren, verdammt noch einmal hätte tun sollen.
Richard leerte das Glas und
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