Spiel ums Glueck
weiter hob. „Zum Teufel mit dem Mann, der glaubt, sich mir in den Weg stellen zu können.“
Das Gesicht des Gentleman war rund, gerötet und glänzte. Betrunken, wie er war, bemerkte er nicht, dass ihm auf beiden Seiten des kurzen, faltigen Halses die Enden seines Krawattentuchs abstanden wie Windmühlenflügel.
Cassia musste stark an sich halten, um nicht die Hände auszustrecken und die steif gestärkten weißen Stoffstücke wieder unter seinen Frackkragen zu stecken.
„Und Sie sagen, Sie haben dieses Haus nach dem neuesten Geschmack umgestaltet, Miss Penny?“, brachte der vornehme Herr verwundert hervor und schwankte leicht. „Sie sind ein solch liebenswertes junges Geschöpf, dass ich es kaum glauben kann! “
„Vielen Dank, Lord Russell“, erwiderte Cassia und wedelte ihren Fächer, derweil sie sich gegen die Wand presste, um zwei andere Gäste auf dem Treppenabsatz passieren zu lassen. „Vielleicht habe ich nicht bei jeder Kleinigkeit selbst Hand angelegt, aber für die Zusammenstellung der Farben, Accessoires und Gemälde bin ich verantwortlich, und es war mein Ziel, den Gästen ein Ambiente zu bieten, das ihre Augen erfreut.“
Lord Russell legte den Zeigefinger auf die Nase und sah sie mit leicht glasigem Blick an. „Das sollte die Aufgabe eines jeden guten englischen Mädchens sein, Miss Penny, und das sage ich auch Lady Russell. Doch sie wird lieber auf einen Italiener zurückgreifen, der dann unser Mobiliar derart durcheinanderbringt und die Räume vollstellt, dass man nicht mehr weiß, wo man hintreten soll.“
„Dann werden Sie einfach zu uns kommen, Mylord.“ Cassia lächelte, obgleich ihre Lippen bereits schmerzten vom vielen Lächeln, das meist nicht von Herzen gekommen war. Sie konnte es nicht fassen, wie viele Gäste sich in ihren Räumlichkeiten drängten. Jedes erdenkliche Alter war vertreten, und ob mit Titel oder nicht - sämtliche Gentlemen zeichneten sich dadurch aus, dass sie sehr wohlhabend waren. Die Uhr hatte noch nicht einmal zehn geschlagen, und Cassia war ob der harten Arbeit bereits jetzt ziemlich erschöpft.
Lord Russell neigte sich zu ihr vor und starrte auf ihr Dekollete. Er schluckte schwer. „Wissen Sie, Miss Penny, Sie sind ein feines Mädchen, verteufelt fein, und man kann sich mit Ihnen viel besser unterhalten als mit meiner Frau. Ich bin ein sehr großzügiger Mann, Miss Penny, insbesondere denen gegenüber, die ich favorisiere. Wenn Sie also dieser Sache hier überdrüssig sind, könnten wir ein Arrangement treffen, von dem wir beide ... “
„Haben Sie vielleicht schon unseren Hasardtisch begutachtet, Mylord?“, erkundigte Cassia sich freundlich, während sie insgeheim dem Drang widerstehen musste, das Versprechen, welches sie Amariah gegeben hatte, zu vergessen und Seine Lordschaft rücklings die Treppe hinunterzustoßen. „Er befindet sich in dem Salon ganz oben, gleich zu Ihrer Rechten. Dort stehen Ihnen auch Tische für Cribbage und Whist zu Ihrem Vergnügen zur Verfügung.“
„Dann mögen Sie Männer, die vor dem Glücksspiel nicht zurückschrecken, wie?“, brachte Lord Russell mit schwerer Zunge hervor. „Sie mögen Männer, die mit der Gefahr kokettieren?“
Was Cassia mochte, waren Männer, die mit hohen Einsätzen spielten und fortwährend für einen guten Zweck verloren, indem sie die Bank des Hauses bereicherten. Und einzig aus diesem Grund hatte Seine Lordschaft eine Einladung erhalten.
Natürlich konnte sie ihm das nicht sagen. Stattdessen wich sie dem Mann mit einem großen Schritt aus, um Distanz zu schaffen, und lächelte über den Fächerrand hinweg zu ihm auf. „Ich hörte, wie einige Gentlemen bereits vorausgesagt haben, das Glück bleibe einem an diesem Tisch hold, Mylord.“
„Tatsächlich?“ Russell rieb sich die feuchten Hände an der Weste trocken. „Oben, sagten Sie?“
„Gleich rechts, Mylord“, erwiderte sie erleichtert. „Sie können den Salon gar nicht verfehlen.“
„Also schön, Miss Penny“, versetzte er und verneigte sich. „Ich werde ... Was zum Teufel ist das für ein Tumult da unten?“
„Ohne Zweifel haben wir einen Gast, der es nicht erwarten kann, hineingebeten zu werden, Mylord. “ Cassia lehnte sich über die Brüstung und versuchte zu erspähen, was sich in der Eingangshalle abspielte. „Ich bin indes überzeugt, dass unser Personal das Problem umgehend gelöst haben wird.“
Es handelte sich, wie Cassia alsbald feststellte, tatsächlich um einen Tumult: Männer beschimpften einander
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