Spiel ums Glueck
kaum ein Auge hatte zutun können, als er auf dem Baum gesessen hatte. Jetzt war er gebadet, lag in einem feinen Bett und war sauberer als die vergangenen Monate -vielleicht sogar sauberer, als er jemals in seinem Leben gewesen war. Mr Carroll hatte sich die größte Mühe gegeben, mit Bürste und Seife auch den letzten Schmutzfleck auf seiner Haut zu entfernen. Und er war satt; das fühlte sich gut an.
Er lag mit einem gebügelten Nachthemd im weichen Bett seines Vaters und sah sich in dem Zimmer um, von dessen Mobiliar er in der Dunkelheit nur vage Umrisse wahrnahm. Der Raum war so groß wie das Haus, in dem er und seine Mama gelebt hatten. Es ging ihm gut, und er brauchte sich nicht länger vor den Männern zu ängstigen, die Kinder wie ihn für viel Geld verkauften.
Und das Beste war, er hatte seinen Vater gefunden.
Doch so glücklich er sich schätzen konnte, sauber und geborgen im väterlichen Schlafzimmer zu liegen - er war zutiefst betrübt darüber, dass er solch großen Ärger ausgelöst hatte. Es war ihm nicht entgangen, dass die rothaarige Dame
Greenwood Hall seinetwegen verlassen hatte. Und dass sein Vater ihr, traurig und wütend über ihre Abreise, nachgeritten war. Selbst die Dienerschaft erschien ihm aufgebracht und besorgt, ob die Frau wohl wiederkam oder nicht, und was nun aus ihnen werden sollte.
Er hatte nur seinen Vater finden wollen. Und dabei hatte er das Leben anderer ruiniert.
Luke schlüpfte aus dem Bett und lief barfuß zum Fenster. Es brauchte nicht lange, bis er die Läden geöffnet und den Polarstern gefunden hatte, der ihn führen würde - wohin auch immer.
Er seufzte und stützte das Kinn in die Hände, um eine Weile die Sterne zu betrachten. Vielleicht hatte er sich geirrt. Vielleicht war die Suche nach seinem Vater nicht mehr als eine Etappe auf seiner Reise und nicht das Ziel. Da er den Leuten hier so viel Kummer bereitet hatte, war es womöglich sein Schicksal, auf Wanderschaft zu bleiben, zumindest noch eine Weile. Vielleicht würde er ein Schiff wie die „Three Sisters“ finden und um die Welt segeln.
Freundlich lächelte der größte Stern am Himmel auf ihn nieder, wie er es stets getan hatte. Luke schloss leise das Fenster, damit er niemanden aufweckte, und begann, in seine Kleider zu schlüpfen.
15. Kapitel
Der Kutscher benötigte eine Viertelstunde, ehe er das Gefährt durch den dichten Verkehr von Zwei-und Vierspännern, die in der St. James Street entlangfuhren, manövriert hatte und vor „Penny House“ anhielt.
Das Haus war festlich erleuchtet und strahlte in den Londoner Nachthimmel. Der Club scheint angenommen zu werden, dachte Cassia, als sie aus dem Kutschenfenster hinausblickte. So müde und aufgewühlt, wie sie war, hätte sie sich eine weniger offizielle Ankunft zu Hause gewünscht.
„Miss Cassia!“, rief Pratt, kaum dass sie hinter einer Gruppe ungestümer junger Gentlemen durch die Eingangstür trat. „Guten Abend, Miss! Man hat mich gar nicht darüber informiert, dass Sie heute zurückkommen würden.“ „Guten Abend, Pratt“, erwiderte sie und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen beim Anblick seines vertrauten Gesichts. Oh, das wird kein einfacher Abend für mich, wenn ich so weinerlich bin, ging es ihr durch den Kopf, und sie setzte ein Lächeln auf. „Man hat Sie nicht in Kenntnis gesetzt, weil es niemand wusste. Können Sie jemanden schicken, der dem Kutscher hilft, meine Sachen ins Haus zu bringen?“
„Cassia! “ Amariah eilte durch das gut gefüllte Entree auf sie zu und umarmte sie herzlich. „Oh, es ist schön, dich endlich wiederzusehen! Hast du deine Arbeit früher beenden können? Wir haben erst nächste Woche mit dir gerechnet.“ „Ich bin fertig mit Greenwood Hall“, erwiderte Cassia.
„Ich ... ich musste vorzeitig abreisen.“
„Vorzeitig?“ Die Schwester trat einen Schritt zurück, legte die Hände auf Cassias Schultern und musterte sie besorgt. „Was ist los mit dir, Liebes? Was ist passiert?“
„Es ist nichts“, versicherte Cassia mit zittriger Stimme. „Überhaupt nichts.“
„Unsinn“, verkündete Amariah und nahm sie bei der Hand. „Pratt, behalte unsere Gäste für mich im Auge. Wir sind unten in der Küche bei unserer Schwester. “
„Ich kann dich jetzt nicht von hier fortreißen“, protestierte Cassia, als Amariah sie zur Hintertreppe zog. „Wir haben ein volles Haus. Wir können uns später unterhalten.“
„Wir werden uns jetzt unterhalten“, betonte die Schwester und öffnete die
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