Spiel ums Glueck
Fusel, das schwor er sich, würde er nicht einen einzigen Tropfen mehr trinken.
Aber es war ihm nur der billige Schnaps geblieben, um sich zu trösten. Cassia Penny hatte ihn verschmäht und sich seiner in aller Öffentlichkeit entledigt. Sie hatte ihn vor einem sensationsgierigen Publikum als einen selbstsüchtigen Rohling dargestellt, einen gemeinen Kerl, den sie auf keinen Fall Wiedersehen wollte. Als ihre Kutsche - nein, seine Kutsche - vom Platz gerollt war, hatte der Wirt ihm mitleidig auf die Schulter geklopft und gesagt, etwas Hochprozentiges sei jetzt die beste Medizin, um sich zu beruhigen und um zu vergessen.
Richard hatte den wohlmeinenden Rat angenommen und sich einen großzügig bemessenen Schluck Rum gegönnt. Dem ersten waren ein zweiter und ein dritter gefolgt, und nach dem siebten hatte er aufgehört zu zählen. Irgendwann war er besinnungslos zusammengesunken, und zwei ausgewachsene Stallburschen hatten ihn in eine Kutsche gesetzt. Richard vermutete, dass Neuf ihm zu Hilfe gekommen war, doch dank seiner kurzzeitigen Ohnmacht vermochte er sich nicht genau zu erinnern.
Obwohl er sich unaussprechlich elend fühlte, konnte er Cassia, oder was sie zu ihm gesagt hatte, nicht vergessen. Sie war nur einen Monat bei ihm gewesen, einen einzigen Monat, und dennoch vermochte er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorzustellen.
Nicht die adlige junge Dame aus seinen Träumen, sondern Cassia, Fleisch und Blut gewordene Wirklichkeit, gehörte in sein Bett - ihr Bett, das ihn immer an ihr zärtliches Beisammensein erinnern würde. Unvorstellbar, dass er eine andere Frau in diesem Bett lieben sollte. Wie konnte er, nachdem Cassia sich ihm auf diesem Lager hingegeben hatte? Weshalb verstand sie das nicht? Er und sie, und nun auch Luke sollten hier auf Greenwood Hall den Rest ihres Lebens zusammen verbringen. Weshalb war das so verdammt schwer für sie zu verstehen?
Er hatte Cassia alles geboten, damit sie blieb, und trotzdem war sie gegangen. Er war ihr nicht genug, und sie würde niemals zu ihm zurückkommen.
Wenn es nicht eine so höllische Anstrengung bedeutet hätte, wäre er aufgestanden und nach draußen gegangen und hätte sich mitten auf die Wiese gestellt, wo er nicht zu übersehen wäre, hätte den Hut abgenommen und die Arme ausgestreckt und Bolton aufgefordert, ihn endgültig zu erledigen.
„Sir?“ Neufs Stimme stach in seinen geräuschempfindlichen Ohren. „Sir?“
„Verflixt, Neuf“, krächzte Richard und zuckte selbst bei dieser geringen Kraftanstrengung,zusammen. „Ich habe Sie doch gebeten, mich nicht zu stören.“
„Vergeben Sie mir, Sir“, sagte der Kammerdiener und blieb beharrlich vor dem Bett stehen. „Aber es ist etwas ...“ „Neuf, es würde mich nicht einmal interessieren, wenn Napoleon mit seinen sämtlichen Truppen in Dover gelandet wäre!“
„Nein, Sir.“ Neuf holte tief Luft. „Gleichwohl dachte ich, Sie würden gern davon in Kenntnis gesetzt werden, dass Ihr Sohn verschwunden ist.“
Die Sonne stand hoch am Himmel, als Luke die Straße verließ und im hohen Riedgras verschwand. Er wollte zu dem Bach hinunter, über den eine kleine Steinbrücke führte. Am Ufer angelangt, legte er das Bündel mit seinen Habseligkeiten ab, trank von dem klaren Wasser und benetzte sein Gesicht. Es war ein warmer Tag, die Sonne hatte heiß auf seinen Rücken geschienen, während er marschiert war. Er zog sich die neuen Schuhe und Strümpfe aus und tauchte Letztere in das kühle Nass, um anschließend beherzt seine Blasen an den Fersen zu betupfen. Das kommt davon, wenn man Schuhe trägt, dachte er und nahm sich vor, nach der kleinen Ruhepause barfuß weiterzulaufen, wie er es die vergangenen Wochen oft getan hatte.
Er setzte sich unter die Brücke, um von der Straße aus nicht entdeckt zu werden, und packte das Brot und die
Pflaumen aus, die er sich aus der Küche in Greenwood Hall geholt hatte. Er zwang sich, so langsam wie möglich zu essen, und biss immer nur winzige Stücke ab, denn seine Wegzehrung musste noch eine Weile reichen. Er wusste nicht, wie lange er unterwegs sein würde.
Luke wollte nicht an die freundliche Köchin und die anderen denken, vor allem nicht an die rothaarige Dame und an den Vater. Captain Rogers, bei dem er einst angeheuert hatte, hatte einmal gesagt, dass man nach vorne blicken sollte, niemals zurück. Gerade jetzt schien dieser Spruch ihm der beste Rat, den er in seiner Lage beherzigen konnte.
Es war angenehm kühl unter der Brücke, und das
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