Spiel ums Glueck
Wasser plätscherte und gurgelte über die Steine hinweg. Luke spürte, wie ihm die Augenlider schwer wurden. Er zog sein Bündel heran, streckte sich aus und legte es sich unter den Kopf, um ein wenig zu schlafen.
„Was haben wir denn hier?“, hallte plötzlich eine Männerstimme in seinen Ohren und weckte Luke augenblicklich. „Irgendeinen dreckigen Affen, der vornehme Leute ausspioniert?“
Der Mann trat auf ihn zu und goss ihm eine Tasse Wasser über den Kopf. Dann lachte er schallend.
„Oh, lass ihn in Ruhe, Bolton.“ Ein zweiter Mann tauchte hinter dem ersten auf. „Dieser Lümmel ist es nicht wert, dass du dich über ihn aufregst.“
Hastig klaubte Luke seine Schuhe und sein Bündel auf und schickte sich an, zu verschwinden. Er kannte diese Männer. In der Nacht, bevor er sich seinem Vater vorgestellt hatte, war er ihnen begegnet. Er hatte unter einem Baum geruht, während diese beiden unweit von ihm hinter Büschen Quartier genommen hatten. Da es dunkel gewesen war, durfte er davon ausgehen, dass sie ihn nicht wiedererkannten. Er wusste jedoch, dass die Männer bewaffnet waren, und mit solchen Leuten wollte er nichts zu schaffen haben.
Er war fast oben an der Straße angelangt, als sein Fuß sich in einer Ranke verfing. Er fiel hin und kugelte wieder den leichten Hang hinab, bis vor die Füße des massigen Mannes, den der andere Bolton genannt hatte.
Bolton lachte wieder. „Ungeschickter Lümmel“, sagte er und stieß ihn mit seinem frisch polierten Stiefel an. „Ha! Vielleicht bist du ja ein Mädchen in Beinkleidern und überhaupt kein Junge, da du ein solch winselnder Schwächling bist!“
Diese Bemerkung machte Luke wütend, wütender, als es gut für ihn war. „Lieber bin ich ein Schwächling als eine stinkende fette Kröte wie Sie!“
„Komm sofort zurück, Junge!“, schrie der Mann außer sich, derweil Luke sich geschwind davonmachte. „Turner, halt ihn auf! Das ist Blackleys kleiner Bastard, nach dem sie in der Umspannstelle gesucht haben! Fang ihn ein, mach schon!“
Zu spät wurde sich Luke bewusst, dass er den Mann nicht hätte beleidigen und zu ihm hochblicken dürfen, sodass Bolton sein Gesicht sehen konnte. Er hatte selbst bemerkt, wie ähnlich er seinem Vater sah, und so rannte Luke, so schnell ihn seine Beine trugen, hoch auf die Straße und weiter geradeaus, ohne zurückzublicken. Er spürte schmerzhaft die winzigen Steine unter seinen nackten Sohlen, doch er wusste, dass er keine einzige Sekunde verlieren durfte. Er wähnte sich schneller als der ältere, schwerfälligere Bolton, hatte indes nicht damit gerechnet, dass dessen Freund so flinke Füße hatte.
„Habe ich dich endlich! “, rief sein Verfolger atemlos, während er sich auf ihn warf und ihn in den Staub drückte. Luke wand und wehrte sich, um Luft zu bekommen, ohne es jedoch verhindern zu können, dass der Mann ihm die Arme auf den Rücken drehte und er seinen Widerstand aufgeben musste.
„Du gehörst jetzt mir, du kleiner schwarzer Bastard“, sagte der Mann und beugte sich dabei so weit vor, dass Luke der Geruch von Schnaps in die Nase stieg. „Dann wollen wir mal sehen, wie viel dein Vater für dich zu zahlen bereit ist.“
Cassia kam es so vor, als habe sie „Penny House“ niemals verlassen, als sei die Zeit, die sie in Greenwood Hall verbracht hatte, nichts als ein angenehmer Traum gewesen. Sie übernahm wieder all ihre Aufgaben, wohnte der Zusammenkunft mit ihren Schwestern bei, auf denen die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Nacht besprochen wurden, sie half die Spielmarken auszählen, um sicherzugehen, dass keine verschwunden waren, und arrangierte frische Blumengestecke für die Kaminsimse unten in den Salons.
Seit dem gestrigen Abend hatten weder Amariah noch Bethany Richard oder Greenwood Hall mit einer einzigen Silbe erwähnt und waren lediglich auf Themen zu sprechen gekommen, die „Penny House“ betrafen. Zweimal hatte Cassia versucht, sich mit der ältesten Schwester über die jüngsten Ereignisse zu unterhalten, doch Amariah war nicht darauf eingegangen und hatte ein anderes Thema angeschnitten, ganz so, als habe Cassia kein Wort gesagt.
Schließlich, nach dem Dinner, kam Amariah in ihr Schlafzimmer. Cassia war dabei, sich das wohlvertraute dunkelblaue Abendkleid glatt zu streichen, das sie einen Monat lang nicht getragen hatte, um danach vor den Spiegel zu treten und sich die Frisur zu arrangieren.
„Komm, setz dich für einen Moment zu mir“, bat die Schwester sie und nahm
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