Spiel unter Freunden
diese Sachn überhaupt was zu bedeutn ham»,
sagte Roadrunner und verschluckte die eine oder andere Silbe.
«Was issn, wenn diese ganze moderne Kunst nix als Schmu is?
Was is, wenn die einfach Farbe auf 'ne Leinwand kippn und hoffn,
irgend son pseudointellektueller Kunstkritiker sacht, da steckt 'ne
tiefere Bedeutung hinter?»
«Genau meine
Meinung», hob Harley gerade an, als im selben Moment eine
atemberaubende Blondine in einem engen schwarzen Kleid neben ihm
auftauchte und seinen Arm berührte. «Ist das hier Ihre
Arbeit?» Harley musste sich extrem zusammenreißen,
damit ihm nicht die Kinnlade herunterfiel. «Äh …
nein.»
«Oh.» Sie
sah sich leicht verlegen um und suchte wohl nach einer
unverfänglichen Möglichkeit, ihre peinliche
Fehleinschätzung zu überspielen.
«Es ist aber
ein, äh … bewegendes Werk, nicht wahr?»,
fügte Harley schnell hinzu.
Roadrunner und Gino
gaben vor, den Wortwechsel nicht mitzubekommen, grinsten aber beide
selbstgefällig.
«Aber ja! Ich
finde, es ist unglaublich!», schwärmte die Blondine
verzückt. Sie hatte wieder Interesse gefunden. «Wer
immer das Bild geschaffen hat, besitzt großes Talent. Und wie
würden Sie es interpretieren?» Harley lehnte sich auf
den abgelaufenen Absätzen seiner Motorradstiefel zurück.
«Nun, ich halte es ganz einfach für eine treffende
bildliche Darstellung der zeitgenössischen Dichotomie zwischen
Homogenität und globaler Mannigfaltigkeit.» Neben ihm
beugte sich Roadrunner weit nach vorn und hustete in die Hand, um
einen Lachanfall zu unterdrücken.
Gino blickte zur
Seite.
Die Augen der Blondine
leuchteten vor Bewunderung. «Das erkenne ich durchaus auch.
Sie wissen schon, dieser Kontrast zwischen dem Schwarz … und
dem Weiß.»
«Sehr richtig.
Eine kühne Aussage. Schwarz. Und dann weiß. Ich
denke, da schwingt auch ein Appell gegen die Rassendiskriminierung
mit.»
«Ich finde, es
sind Wäscheklammern», sagte Roadrunner ruhig und
bestimmt.
Die Blondine sah ihn
verwirrt an. «Was meinten Sie?»
«Ich sagte, es
sind Wäscheklammern. Schwarze und weiße
Wäscheklammern», wiederholte Roadrunner.
Sie nickte. «Ich
verstehe, worauf Sie hinauswollen. Die Wäscheklammern
versinnbildlichen quasi ländliche Artefakte in einer
hochtechnisierten Welt …»
«Und ich finde,
es sind Menschen mit klitzekleinen Köpfen und großen,
dicken, unförmigen Füßen», setzte Gino noch
einen drauf.
«Oh-kay. Auch
das könnte ich nachempfinden. Die Unterstellung, dass
motorische Wirkungsweisen langsam die mentalen Wirkungsweisen
nichtig machen, als akuter Allgemeinzustand der Menschheit; die
Rigidität der Torsi und die Leere des Hintergrunds, die
gemeinsam auf eine spirituelle Lähmung verweisen, welche dem
Leben seinen Sinn nimmt …»
«Eine
kombinierte Darstellung von Heidentum und Judenchristentum, wie sie
in Hoffnungslosigkeit versunken sind.» Harley nickte weise
mit dem Kopf. Die Blondine sah aus wie von einer göttlichen
Erscheinung heimgesucht. «Vielleicht versucht das Bild, mit
uns in einen Dialog über den Zustand spiritueller Verarmung zu
treten.» Ginos Augen füllten sich mit Tränen, so
sehr musste er einen Lachanfall unterdrücken. Er blickte
wieder in sein leeres Glas. «Mein größtes Problem
ist im Moment die Tatsache, dass ich alkoholisch verarmt bin. Wenn
Sie mich bitte entschuldigen wollen?» Er drehte sich um und
fahndete nach der Frau mit dem Tablett. Roadrunner überdachte
seine Möglichkeiten und beschloss, wieder vor der entfernten
Wand Aufstellung zu nehmen.
Auf der anderen Seite
der Galerie hatte Magozzi sich entschieden, Grace erst dann
anzusprechen, wenn sie allein war, aber die Hoffnung auf diesen
Moment schien sich in diesem Leben nicht mehr erfüllen zu
wollen. Das hätte ihn eigentlich nicht überraschen
dürfen, denn schwarzhaarige Schönheiten, die auf Distanz
bedacht waren, besaßen magnetische Anziehungskraft auf die
Männer, ob deren Passion Kunst war, Punk Rock oder die
Lektüre alter Ausgaben von Field & Stream während der
Halbzeit. Und wenn jemand nicht im Geringsten ahnte, dass diese
besondere Schönheit extrem übellaunig werden konnte und
eine geladene Sig unter der Achsel trug, kam er vielleicht auf den
Gedanken, sie als Freiwild anzusehen.
Sie beobachtete ihn
mit völlig unbeteiligter Miene, als er auf sie zukam. Sie
starrten einander kurz an, und dann sagte Magozzi: «Es gibt
da einige Dinge, die ich Sie fragen muss.»
«Ich war allein
im Büro. Keine Zeugen. Kein Alibi.»
«Ich
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