Spiel unter Freunden
musste wohl völlig verdutzt ausgeschaut
haben, denn sie lächelte leicht, als sie sich ein Stück
Birne in den Mund schob und ihm ihre Tasse entgegenhielt.
«Nur halb voll, bitte.»
«Wie geht es mit
dem neuen Gemälde voran?»
«Nicht gut. Wenn
ich heute kein Glück damit habe, ziehe ich es vielleicht von
der Ausstellung zurück.»
«Oh, tut mir
Leid.»
«Sei nicht
albern. Ist doch nicht deine Schuld, oder? Und auf ein Bild mehr
oder weniger kommt es der Galerie sowieso nicht an. Das hier
schmeckt wirklich außergewöhnlich.
Muskatnuss?»
«Richtig.»
Er legte seine Gabel umgekehrt auf den Tellerrand, Signal für
einen nicht existierenden Kellner. Er war überhaupt nicht
hungrig. Und noch immer ein wenig aus der Fassung wegen ihrer
Sexbemerkung.
«Welcher
Käse es ist, kann ich nicht herausschmecken.»
«Es sind
fünf verschiedene Sorten.» Silber kratzte über
Porzellan, als sie das letzte Stück ihres Omeletts vertilgte.
«Du kannst das hier so gut. Du solltest dich wirklich outen
und für deine Freunde kochen.» Seine Tasse landete
klappernd auf der Untertasse. «Warum tust du das nur?»
Sie blickte auf, die Unschuld in Person.
«Was?»
«Sie als meine
Freunde bezeichnen. Es sind unsere Freunde, nicht nur
meine.»
«Oh. Hab ich das
gesagt? Ich hab mir nichts dabei gedacht. Es liegt nur daran, dass
du so viel mehr Zeit mit ihnen verbringst …» Sie
verstummte, und ihr Blick schweifte, bis er an seinem Teuer
hängen blieb. «Das da willst du doch nicht etwa umkommen
lassen, oder?» Er fixierte sie einen Moment und war fast so
gereizt, dass er das Thema wieder aufgegriffen hätte. Wenn es
nur nicht so verdammt heiß in diesem Raum gewesen wäre;
so verdammt eng. Als sie ihm ins Gesicht blickte, verlor sie
augenblicklich die Fassung. Mein Gott. Wie hatte er ausgeschaut?
Was hatte sie da gesehen?
«Bitte
schön», sagte er hastig. «Bedien dich nur. Ich hab
während des Kochens zu viel genascht.» Er wäre am
liebsten davongerannt, aus dem Raum, aus dem Haus, aber er zwang
sich dazu, sitzen zu bleiben und zu lächeln, bis sich ihre
Lippen zögernd bewegten, als wolle sie eine Antwort geben, und
dann sah er stumm zu, wie sie beide Frühstücksportionen
verputzte.
Es war schon
erstaunlich. Sie hatte einen fast schon furchterregenden Appetit
und blieb dennoch stets perfekt in Form, ohne je ein Pfund zu- oder
abzunehmen.
Nimm die
Gelegenheit wahr. Biete ihr etwas an. So viel schuldest du
ihr. «Ich versteh nicht, wie du
das machst, Diane.» Er fügte als zusätzliches
Bonbon noch ein Lächeln hinzu. «Wenn ich Annie
erzählen würde, was du heute Morgen gegessen hast,
würde sie dich umbringen.» Als sie laut loslachte, bekam
er fast Angst. Das war nämlich gar nicht ihre Art.
«Vielleicht sollte Annie zu joggen anfangen.
Das solltet ihr alle
tun. Es ist ungesund, den ganzen Tag eingesperrt in dem Loft zu
hocken und unentwegt vor diesen albernen Bildschirmen zu
sitzen.»
«Wir gönnen
uns doch gelegentlich Pausen. Roadrunner macht Fahrradtouren und
seine Yogaübungen, Grace stemmt Gewichte
…»
«Tatsächlich? Das
wusste ich ja gar nicht.»
«Vielleicht
liegt es daran, dass du sie kaum mehr zu Gesicht
bekommst.»
«Ich gebe mir
Mühe, den Kontakt nicht abreißen zu lassen.
Ich hab sie doch
angerufen, kaum dass die Ausstellung in Los Angeles vorüber
war, oder? Wir haben uns wunderbar unterhalten.»
«Also ruf sie
öfter an. Komm zum Lunch in die Stadt. Das würde ihr sehr
gefallen.»
«Du hast ja
Recht. Genau das sollte ich tun, und zwar gleich nach der
nächsten Ausstellung.» Sie trank ihren Kaffee in kleinen
Schlucken und schlug die Zeitung auf, die er sauber
zusammengefaltet links neben ihren Teller gelegt hatte.
«Mhm.
Gestern sind die Kurse
gepurzelt.» Mitch schob seinen Stuhl nach hinten. Zeit zu
gehen.
«Ach, du meine
Güte.»
«Was?»
«Solche Sachen
muss ich nun wirklich nicht beim Frühstück
lesen.»
«Was für
Sachen?» Angewidert reichte sie ihm die Zeitung. «Es
gibt einfach keine guten Zeitungen mehr. Sie sind allesamt zu
Boulevardblättern verkommen und berichten über jede
erdenkliche Scheußlichkeit in allen Einzelheiten
…» Vielleicht redete sie noch weiter, aber Mitch
hörte sie nicht mehr. Er hatte den Artikel zu lesen begonnen,
der ihr das Frühstück verdorben hatte. Seine Blicke
wanderten hin und her, von Zeile zu Zeile, und verharrten dann mit
einem Mal.
Alles Blut wich aus
seinem Gesicht.
«Das ist doch
grässlich, oder?» Verwirrt blinzelte er kurz in
Weitere Kostenlose Bücher