Spiel unter Freunden
schien in
der kalten Luft sofort zu gefrieren. Der Hund zitterte noch immer.
Grace hörte nicht auf, ihn zu streicheln, und befestigte die
Leine. Dabei sah sie zu, wie die drei älteren Burschen auf der
entfernten Seite des Parks umherstrichen. Schon nach wenigen
Augenblicken hatten sie den ersten Jungen gefunden und zerrten ihn
hinter dem Baum hervor.
«Nei-ein
…» Ein einzelnes verzweifeltes Wort; die Stimme eines
Kindes, in der die Angst eines Erwachsenen mitschwang, abrupt zum
Verstummen gebracht durch das dumpfe Geräusch, das entsteht,
wenn eine geballte Faust auf einen weichen Körperteil trifft.
Grace stand langsam auf, und ihre Augen verengten sich, als sie
versuchte, die Rauferei genauer zu erkennen, die sich in knapp
fünfzig Meter Entfernung abspielte.
Zwei der älteren
Jungen hielten die Arme des Kleinen fest, während ein dritter
hin und her tänzelte wie ein Boxer und ihm in den Magen
schlug. Vielleicht hatte der kleine Kerl es ja provoziert; das
konnte sie nicht wissen. Aber hier wurden die grundlegenden
Fairnessregeln verletzt, und so was hasste Grace.
«Bleib
hier», befahl sie Charlie eine völlig
unnötige Aufforderung, da das Tier noch immer platt auf dem
Boden lag wie ein zum Pfannkuchen gewordener Hund. Sie befahl es
eigentlich auch nur, um seinen Stolz nicht zu verletzen.
Es herrschte nicht
mehr genug Tageslicht, um die Gestalt im langen schwarzen Mantel
sichtbar zu machen, die mit großen Schritten den Park
durchquerte. Aber auch wenn es noch etwas heller gewesen wäre,
hätten die drei älteren Jungen wahrscheinlich nicht
bemerkt, dass sie sich näherte. Zu sehr waren sie damit
beschäftigt, den kleineren Jungen zu verprügeln. Eben
noch hatten sie sich scheinbar allein und unbeobachtet
gefühlt, und plötzlich hörten sie eine ruhige und
beherrschte Stimme, die ihnen aus nächster Entfernung
«Stopp!» zurief.
Aufgeschreckt wirbelte
der Bursche, der die Schläge verteilte, auf den Ballen herum,
richtete sich auf und sah sie an.
Er war vielleicht
vierzehn, höchstens aber fünfzehn Jahre alt, hatte
strähniges blondes Haar, ein schmales, boshaftes Gesicht und
Akneausbrüche, die verrieten, dass er mitten in der
Pubertät war.
Gewaltiger
Überschuss an Testosteron, dachte Grace und warf einen kurzen
Blick auf seine beiden Kumpane, die ihm so ähnlich sahen, dass
die drei hätten Brüder sein können. Sie trugen
allesamt mit vielen Taschen bestückte, extrem weite Hosen von
der Sorte, die um der Mode willen weit unter die Gürtellinie
zu rutschen hatte, und dazu billige Oberhemden, die ihnen bis zu
den Knien hingen. Skandinavische Möchtegern-Gangsta. Mit zu
dünner Kleidung, um darunter eine Waffe zu
verbergen.
Der Kleine, den sie an
den Armen festhielten, trug als einziger eine Jacke, und Grace
vermutete, dass er dieses Kleidungsstück nie wiedersehen
würde, wenn er es erst einmal ausgezogen hatte. Derartige
Lammfelljacken bekam man nicht im KMart und wohl nicht einmal bei
Wilson's Leather. Allem Anschein nach klaute das Bürschchen
nur bei den besten Adressen. Der Bengel war so schwarz, wie die
anderen weiß waren, und das überraschte sie. In dieser
Stadt gingen die beiden Rassen einander aus dem Weg, im Frieden wie
im Krieg.
Nach dem letzten
Schlag in den Unterleib stand der Kleine vornüber gebeugt, und
als er den Kopf hob, blickte sie in das Babygesicht eines kleinen
Jungen, der eher auf einer Schaukel hätte sitzen sollen, als
Opfer einer Prügelei zu sein. Er heulte Rotz und Wasser,
reckte aber sein schmales Kinn trotzig in die Höhe, ohne auch
nur einen Ton von sich zu geben. «Scheiße, wer bist du
denn?» Wohl um sie einzuschüchtern, musterte der
Schläger sie von unten bis oben mit einem
geringschätzigen Blick aus schmalen, fast farblosen
Augen.
Grace seufzte. Es war
ein langer Tag gewesen, und sie war zu müde, um sich mit dem
hier lange abzugeben. «Lasst den Jungen
los.»
«Aber klar doch,
machen wir ja. Irgendwann. Und du mach dich besser schnell davon,
blöde Schlampe, sonst geht es dir genauso.» Die
Brüder zwei und drei rissen gleichzeitig an den Armen des
schwarzen Jungen, als seien sie von einem einzigen Hirn
gesteuert.
Und dazu stimmten sie
synchron eine wohlmeinende Aufforderung an: «Fick
sie!»
«Scheiße,
ja. He, Mann, vielleicht sollten wir sie echt ficken.»
Nervöses Kichern.
«Yeah, erteilen
wir der weißen Schlampe eine Lektion.» Die weiße
Schlampe. Grace schüttelte den Kopf, entschied sich aber, die
drei nicht darauf hinzuweisen, dass
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