Spiel unter Freunden
nacheinander beiseite
geschoben.
Die Stahltür ging
auf, und Grace MacBride stand vor ihm.
Ihr blasses Gesicht
war leicht gerötet und feucht. Sie trug ausgebeulte
Trainingshosen und ein übergroßes T-Shirt. Ihr Haar
hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie hätte beinahe
verletzlich gewirkt, wäre da nicht das Knöchelhalfter
mitsamt der Derringer gewesen.
«Es ist elf Uhr
abends, Detective Magozzi.» Ihre Stimme war tonlos. Aber sie
schien auch nicht sonderlich überrascht zu sein, dass er vor
ihrer Tür stand.
«Für die
späte Stunde möchte ich mich entschuldigen, Ms. MacBride. Störe
ich Sie bei etwas?»
«Bei meinem
Fitnesstraining.» Er deutete auf ihr Knöchelhalfter.
«Sind Sie beim Fitnesstraining immer
bewaffnet?»
«Nicht nur
dabei, sondern wirklich immer, Detective, und das habe ich Ihnen
doch bereits gesagt. Was wollen Sie also?» Die geborene
Gastgeberin, dachte Magozzi sarkastisch. «Ich möchte mir
Ihre .22er ansehen.»
«Haben Sie einen
Gerichtsbeschluss?» Ihr Tonfall blieb unbeteiligt, ihr Blick
fest. Ein Pluspunkt für MacBride sie war entweder
unschuldig oder verhaltensgestört.
Magozzi seufzte und
fühlte sich plötzlich erschöpft. «Nein, ich
habe keinen Beschluss, aber ich kann einen bekommen. Ich bleib
einfach hier auf dieser Druckplatte stehen und lass dort drinnen
die Alarmsirene, oder was immer das ist, heulen, bis mein Partner
mir einen
bringt.»
«Stehe ich unter
Verdacht?»
«Jeder ist
verdächtig. Gibt es irgendeinen Grund, warum Sie mir die Waffe
nicht zeigen wollen?»
«Weil wir nicht
in einem Polizeistaat leben, Detective Magozzi.» Verdammt,
konnte die patzig sein. Völlig unmöglich, dass sie je
eine Beziehung zu jemandem gehabt hatte, der sie misshandelte. So
wie sie sich aufführte, hätte einer von der Sorte sie
schon gleich am ersten Abend umgebracht.
«Ms. MacBride,
da draußen werden Menschen ermordet, und Sie vergeuden meine
Zeit.» Die leichte Rötung ihrer Wangen, die noch vom
Training stammte, wich einer Zornesröte. Er hatte einen Nerv
getroffen.
«Sie sind es,
der Zeit vergeudet, indem Sie bei Personen ermitteln, die das
Verbrechen gemeldet haben, statt dass sie den Killer suchen!»
Er blieb standhaft und ließ sich nicht darauf ein. Er stand
in der Kälte da und hoffte nur, dass sie nicht mitbekam, wie
sehr er unter dem dünnen Mantel zitterte. Zudem wartete er nur
darauf, dass sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug. Doch sie
überraschte ihn.
«Ach, verdammt,
was soll's? Kommen Sie rein und machen Sie die Tür zu. Aber
rühren Sie sich dann nicht vom Fleck.
Keine Bewegung.»
Er trat hastig ein, schloss die Tür und sah sich um.
«Keine Netzhautabtastung?» Sie funkelte ihn an.
«Wovon reden Sie denn da?» Magozzi zuckte mit den
Achseln. «Sie haben hier ein ziemlich ernst zu nehmendes
Sicherheitssystem.»
«Ich bin auch
eine ziemlich ernst zu nehmende Frau», reagierte sie
schnippisch, drehte sich um und stolzierte den langen düsteren
Flur entlang. Als sie hinter einer Schwingtür aus Eichenholz
verschwand, ging er ein paar Schritte weiter hinein. Dabei hielt er
nach Anzeichen Ausschau, dass hier tatsächlich jemand wohnte,
aber der Eingangsraum und der anschließende Flur waren leer
und wirkten so unpersönlich wie das Äußere des
Hauses. Links eine Treppe, rechts zwei geschlossene Türen
Wohnzimmer und was? Arbeitskemenate? Dazwischen nichts als
ein glänzender Fußboden aus Ahorn und eierschalenfarbene
Wände. Sollte Grace MacBride eine Persönlichkeit
besitzen, was er zu bezweifeln begann, waren hier nicht die
geringsten Hinweise auf deren Merkmale zu entdecken.
Er hörte zornige
Schritte, und die Schwingtür wurde mit einem Ruck wieder
aufgestoßen. Grace sah ihn von der Schwelle her ungnädig
an. «Wenn Sie die Waffe sehen wollen, dann müssen Sie
schon zum Waffenschrank mitkommen.»
«Schön.
Sogar noch besser.» Die Miene, die sie aufsetzte, als er auf
sie zuging, konnte Magozzi nur als Ausdruck höchster
Missbilligung interpretieren. Wenn es ihr darum ging, dass er sich
wie ein stümperhafter Eindringling fühlte, war ihr kein
Erfolg beschieden. Er reagierte nur gereizt.
«Sogar Sie
müssten doch wissen, wie lächerlich das hier ist,
Detective.» Das mit dem «sogar Sie» ließ er
ihr durchgehen.
Verhaltensregel 101
für Detectives: Reagieren Sie niemals auf Beleidigungen durch
Zivilpersonen. «Und
wieso?»
«Meinen Sie
etwa, ich würde eine unter meinem Namen registrierte Waffe
benutzen, um Menschen zu
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