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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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stand. Ich zog sie an, schlich mich in mein Zimmer und suchte den unansehnlichen gelben Strickpullover heraus, zog auch ihn an, ging in einem unbemerkten Augenblick die Treppe hinunter und in den Heizungskeller, wo meine Gummistiefel standen, die hässlichste Fußbekleidung, die ich besaß, trug sie in den Flur und zog sie dort an. Jetzt fehlte nur noch die Jacke. Ich hob die dünne, graue Jacke, die ich im letzten Frühjahr getragen hatte, vom Haken. Mittlerweile war sie zu klein und ziemlich schmutzig, außerdem funktionierte der Reißverschluss nicht mehr richtig, so dass ich sie offen tragen musste. Das war mir nur recht, denn so sah man den gelben Pullover darunter.
    So hässlich gekleidet, wie es nur ging, marschierte ich zu dem Teil der Siedlung hinauf, in dem Anne Lisbet wohnte, und blickte dabei die ganze Zeit auf den Boden, damit die Leute, die mich sahen, begriffen, wie traurig ich war. Und wenn ich Anne Lisbet begegnete, was mein Ziel war, sollte sie sehen, was sie angerichtet hatte. Die hässlichen, schmutzigen Kleider, der gesenkte Kopf, das alles sollte dafür sorgen, dass sie es begriff.
    Bei ihr klingeln wollte ich nicht, denn dann hätte ich mit ihr reden müssen. Nein, meine Hoffnung ging dahin, dass sie mich zufällig sehen und erkennen würde, wie traurig es mich machte, was sie getan hatte.
    Als ich Vemunds Haus erreichte und ihr immer noch nicht begegnet war, schlug ich den Weg zu ihrem Haus ein, obwohl das meinen Plan gefährdete, denn was hatte ich hier oben zu suchen, wenn ich nicht zu ihr wollte?
    Mich vielleicht mit Bjørn Helge treffen?
    Er war ein Jahr jünger als ich, und eigentlich war es völlig undenkbar, mit ihm zu spielen, aber er war ein guter Fußballer und für sein Alter ziemlich groß.
    Ich blieb einen Moment auf dem Wendeplatz stehen und überlegte, ob ich zu Bjørn Helge hinaufgehen sollte. Doch schon das Haus zu sehen, in dem sie wohnte, stimmte mich so traurig, dass ich nach einer Weile in den Wald ging, an den erst kürzlich aus dem Fels gesprengten Baugrundstücken vorbei, auf denen still die Baumaschinen und Baracken standen und mit leeren, schwarzen Fenstern vor sich hin starrten, auf die flache Straße hinaus, wo ich eine Weile stehen blieb und das neue Gemeindezentrum betrachtete, das dort errichtet wurde, danach auf die Wiese, auf der wir einmal Fußball gespielt hatten, und zu dem Tor, hinter dem der Weg zur Müllhalde begann, die hundert Meter weiter lag. Langsam ging ich abwärts. Mitten auf dem Hügel, an dem ich vorbeikam, verborgen hinter Felsvorsprüngen und Bäumen, wohnten Eivind und Geir B. Wir waren ein paar Mal da oben gewesen und hatten mit ihnen gespielt, und im Winter hatten wir sie, bevor es schneite, zum Tjenna mitgenommen und waren Schlittschuh gelaufen. Einmal waren wir auch an Geir B.s Geburtstag dort gewesen. Und einmal bei Sverre. Damals hatte ich den Zehnkronenschein verloren, den er geschenkt bekommen sollte. Als ich in meinen Sonntagskleidern ankam, war der Umschlag leer, und ich brach in Tränen aus, was nicht gut war, überhaupt nicht gut, aber immerhin gab es für meine Tränen einen guten Grund, denn zehn Kronen waren viel Geld. Sein Vater half mir zum Glück suchen, wir gingen die Straße hinauf, die ich gekommen war, auf der leuchtend blau auf dem schwarzen Asphalt der Zehnkronenschein lag. Nun konnten sie nicht mehr glauben, dass ich sie betrogen, das Geld selbst eingesteckt und nur so getan hatte, als hätte ich den Schein verloren.
    Auf dem Rasen eines Gartens an der Straße stand der Junge mit den langen schwarzen Haaren und indianischen Gesichtszügen und trickste mit einem Ball.
    »Hi«, sagte er.
    »Hi«, erwiderte ich.
    »Wie oft schaffst du?«, fragte er.
    »Vier Mal«, antwortete ich.
    »Ha, ha«, sagte er. »Das ist ja so gut wie nichts.«
    »Wie oft schaffst du denn?«
    »Gerade habe ich sechzehn geschafft.«
    »Dann lass mal sehen«, forderte ich ihn auf.
    Er stoppte den Ball und setzte den Fuß darauf. Zog die Sohle zurück und führte sie mit einer Bewegung unter den Ball, die diesen hochwippte. Ein, zwei, drei Berührungen mit dem Fuß, dann sprang er zu weit ab, und der letzte Tritt, für dessen Gelingen er das Bein strecken musste, schickte den Ball in die Hecke.
    »Das waren vier«, bemerkte ich.
    »Das liegt nur daran, dass du zuguckst«, meinte er. »Da denke ich zu viel. Ich probiere es noch einmal. Wartest du?«
    »Ja.«
    Diesmal brachte er den Ball in Kniehöhe, und daraufhin war es leicht, der Ball ging fünf

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