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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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auch nicht sein großer und schlanker Körper, es war etwas anderes, etwas, was er »ausstrahlte«.
    »So«, sagte er, als er das Wechselgeld bekommen hatte und die weiße Tüte mit Fisch und Krabben in der Hand hielt. »Lass uns gehen!«
    Draußen machte ich an diesem grauen Tag, an dem alle Bürgersteige und Fußgängerzonen wie jeden Samstag voller Menschen waren und wir auf dem Weg zum Plattengeschäft an dem Fjord Pollen vorbeigingen, neben ihm ein paar kurze, einem Hinken ähnelnde Hüpfer, damit er begriff, wie gut gelaunt ich war. Als er mich ansah, lächelte ich ihn an. Der Wind wehte vom Sund heran und zerzauste seine Haare, die er mit der Hand wieder glättete.
    »Hältst du bitte die Tüte eine Weile für mich?«, fragte er im Plattengeschäft. Ich nickte und hielt sie in der Hand, während er mit flinken Fingerbewegungen durch die Platten blätterte.
    Wenn wir ins Bett gegangen waren, hörten die beiden oft Musik, vor allem am Freitag- und Samstagabend. Oft war sie das Letzte, was ich vor dem Einschlafen wahrnahm. Wenn er alleine in seinem Arbeitszimmer saß, legte er auch häufig Platten auf. Steinar hatte mir erzählt, dass er einmal eine Platte von Pink Floyd mitgebracht und im Unterricht aufgelegt hatte. Das hatte er mit respektvoller Stimme erzählt.
    »Möchtest du dir eine Kassette aussuchen?«, fragte Vater plötzlich, ohne den Blick von den Platten vor sich zu wenden.
    »Aber ich habe doch gar keinen Kassettenrekorder«, erwiderte ich.
    »Du kannst dir Yngves leihen«, meinte er daraufhin. »Und dann wirst du wohl dafür sorgen müssen, dass du Weihnachten einen eigenen bekommst. Wäre es nicht toll, dann schon ein paar Kassetten zu haben? Was nützt dir sonst ein Kassettenrekorder ohne Kassetten!«
    Zögernd ging ich zu den Kassetten, die nicht in Kästen standen wie die Platten, sondern in Ständern an der Wand hingen. Einer von ihnen war voller Elvis-Kassetten. Ich suchte mir eine aus, auf der er auf dem Cover mit einer Gitarre im Arm in einem Lederanzug saß und lächelte.
    Vater kaufte zwei Platten, und als er sie auf den Tresen legte, sagte er dem Verkäufer, dass ich ihm zeigen würde, welche Kassette ich wolle. Mit einem kleinen Schlüssel in der Hand begleitete der Mann mich zu dem Ständer. Ich zeigte auf die Elvis-Kassette, er schloss auf, nahm sie heraus und legte sie in eine eigene kleine Tüte neben Vaters großer.
    »Keine schlechte Wahl«, sagte Vater, als wir zum Auto gingen. »Weißt du, in meiner Kindheit war Elvis ein ganz Großer. Elleville Presselös nannten wir ihn. Ich habe noch ein paar von seinen alten Platten. Sie stehen bei Großmutter und Großvater. Sollen wir sie vielleicht mitnehmen? Dann könntest du sie mal hören.«
    »Ja, das wäre toll«, antwortete ich. »Vielleicht will Yngve sie ja auch hören.«
    »Die sind heute sicher einiges wert«, meinte er, blieb stehen und zog den Schlüsselbund aus der Tasche. Ich blickte zu den großen Öltankern hinüber, die im Galtesund auf der Tromøy-Seite auf Reede lagen. Sie waren so groß, dass die flachen Hügel dahinter aussahen, als stammten sie aus einer anderen Welt.
    Vater zog den Türknopf an meiner Seite hoch.
    »Darf ich auf dem Rückweg wieder vorne sitzen?«, fragte ich.
    »Das darfst du, aber nur heute. Verstanden?«
    »Ja«, sagte ich.
    Er legte die Tüten auf die Rückbank und zündete sich eine Zigarette an, ehe er sich anschnallte, was ich bereits getan hatte, und den Wagen anließ. Auf dem Heimweg sah ich abwechselnd das Cover der Kassette an und aus dem Fenster. Auf der gesamten Uferstraße standen wir in einem Stau, der sich ungefähr am Ende des Hafenbeckens auflöste, wo das Bai-Rundfunk- und Fernsehgeschäft auf der einen Seite und die Fischfabrik mit ihren flachen, weißen Steingebäuden und der im Wind schlagenden Flagge auf der anderen lag. Jenseits des Sunds, auf dem weiß die Wellen schäumten, lag Skilsø, eine Ansammlung von Holzhäusern auf einem Hügel mit einem Fähranleger, weiter entfernt lag die Maschinenfabrik Pusnes, und hinter ihr bestand die Insel vor allem aus Wald, wogegen auf dem Festland, wo sich die Straße auf und ab schlängelte, überall Häuser und Bootsstege lagen, bis man zu der Tankstelle gelangte, hinter der Songe, Vidholmen und die Straße zur Brücke folgten. Alles wie durchgerüttelt von dem Wind, der vom Meer her wehte. Auf der Fahrt schlich sich der Gedanke an Anne Lisbet ein und schlug mir aufs Gemüt. Vielleicht lag es an der Condeep-Plattform, denn ich hatte

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