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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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darin, mit wem wir es zusammen taten. Diese Freude war so intensiv, dass sie sich häufig selbst dann noch einstellte, wenn sie nicht da waren. An einem Abend, an dem wir in Dag Lothars Garage Tischtennis spielten, einem Abend, an dem wir um zwei Baracken an einer neuen Straße im Wald herumschlichen, einem Abend, an dem wir in Geirs Zimmer saßen und Halma spielten, einem Abend, an dem ich mich vor dem Bett stehend auszog, schlug der Gedanke an Anne Lisbet und ihr ganzes Wesen manchmal mit solcher Wucht in mir ein, dass mir vor Glück und Sehnsucht ganz schwindlig wurde. Zu diesem Gefühl gehörte nicht nur sie, sondern gehörten auch ihre schöne Mutter und ihr breitschultriger Vater, der als Taucher arbeitete und ein Paar gelbe Sauerstoffflaschen im Badezimmer im Untergeschoss aufbewahrte, sowie ihre kleine Schwester und ihr kleiner Bruder, alle Zimmer in ihrem Haus und der gute Geruch darin. Teil des Gefühls waren zudem alle Dinge, die sie in ihrem Zimmer hatte, ganz andere als in meinem, viele Puppen und Puppenkleider, viel Rosafarbiges und Tüllartiges. Und alles, was wir gemeinsam unternahmen, gehörte dazu, alles, was ihre Freude und ihren Eifer verstärkte und zum Leuchten brachte. Ganz besonders vielleicht in der Schule, wo jeder von uns für sich blieb, bis uns eine bestimmte Situation zusammenführte, zum Beispiel in dem Kreis, den wir bildeten, um Nimm den Ring und lass ihn wandern zu spielen, und sie mir den Ring gab, oder wenn sie mich bei der letzten Verszeile in Die goldene Brücke fing und die Arme um mich schloss, oder wenn wir Fangen spielten und ich ihr hinterherlief und sie absichtlich langsamer wurde, damit ich sie leichter erwischen konnte. Oh, wenn es nach mir gegangen wäre, dann wäre ich mein Leben lang Anne Lisbet hinterhergelaufen, wenn ich nur am Ende die Arme um sie hätte schlingen dürfen.

Wusste ich, dass es nicht so bleiben konnte?
    Nein, das wusste ich nicht. Ich dachte, so würde es immer weitergehen. Es wurde Frühling, und mit ihm kam die Leichtigkeit: Eines Tages zog ich meine neuen Turnschuhe an, und als ich in ihnen aus dem Haus rannte, nachdem ich ein halbes Jahr in Gummi- und Winterstiefeln herumgelaufen war, hatte ich das Gefühl zu fliegen. Die wattierten Hosen und dick gefütterten Jacken, die jede Bewegung so beschwerlich und plump machten, wurden von leichten Hosen und Jacken ersetzt. Handschuhe, Schals und Mützen wurden weggepackt, Skier, Schlittschuhe, Schlitten und Rutschbretter in Schuppen und Garagen geräumt, Fahrräder und Fußbälle herausgeholt, und die Sonne, die so lange tief am Himmel gehangen hatte und deren Strahlen nur etwas fürs Auge gewesen waren, stieg mit jedem Tag höher und wärmte uns schon bald so, dass die Jacken, die wir morgens anzogen, in den Ranzen lagen, wenn wir mittags aus der Schule kamen. Aber das größte Frühlingszeichen von allen war der Brandgeruch, der sich in diesen Wochen in unserer Siedlung ausbreitete. Die kühlen Abende, die bläuliche Dunkelheit, die Kälte, die aus den Straßengräben aufstieg, in denen immer noch große Mengen Schnee lagen, hart wie Eis, durchsetzt von Kies, das unablässige Stimmengewirr der vielen Kindern im Freien, einige auf der Straße einem Ball hinterherlaufend, andere in Straßengräben und wieder aus ihnen herausradelnd oder auf dem Bürgersteig Fahrkunststücke machend, alle übersprudelnd vor Freude und Leichtigkeit, einfach losrennen, einfach radfahren, einfach rufen, einfach lachen, stets mit dem beißenden, aber dennoch satten Geruch von brennendem Vorjahresgras in der Nase, der plötzlich aus allen Richtungen kam. Manchmal liefen wir hin und schauten zu: die dichten, flachen Flammen, die orangen Wellen glichen, fast feucht in ihrer von der abendlichen Dunkelheit hervorgelockten Farbintensität, bewacht von einer stolzen Mutter oder einem stolzen Vater häufig mit dem Stiel eines Rechens auf der Schulter und Handschuhen an den Händen wie eine Art Ritter der unteren Mittelschicht. Ab und zu bewachten sie regelrechte Scheiterhaufen, auf denen der gesamte Müll, der sich im Laufe des Winters in ihren Gärten angesammelt hatte, verbrannt wurde.
    Welchen Reiz hatte dieses Feuer?
    Es war hier fremd, es war so ungeheuer archaisch, dass sich nichts an ihm mit der Umgebung in Verbindung bringen ließ, in der es sich zeigte: Was machte das Feuer neben Gustavsens Campingwagen? Was machte das Feuer neben Anne Lenes Spielzeugbagger? Was machte das Feuer neben Kanestrøms klatschnassen,

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