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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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vorgehabt, sie auf die Brücke mitzunehmen und zuzuschauen, wenn sie hinausgeschleppt wurde. Das ging jetzt nicht mehr. Oder vielleicht doch? Sie war noch nicht in meinem Zimmer gewesen, und bevor ich ins Bett ging, dachte ich jeden Abend, dass sie eines Tages hier sitzen würde, auf meinem Bett, umgeben von meinen Sachen, und jedes Mal zündete dieser Gedanke ein Feuerwerk der Freude in mir. Anne Lisbet, hier, bei mir!
    Warum sollte auf einmal Eivind zu ihr kommen dürfen und ich nicht? Wir hatten doch so viel Spaß gehabt!
    Eivind musste verschwinden. Wir mussten zurückkehren.
    Aber wie sollten wir das anstellen?
    Unter uns breitete sich in östliche und westliche Richtung der Sund aus. Ein Segelboot kehrte vom offenen Meer zurück, sie segelte parallel zum Ufer, und achtern stand eine Gestalt mit der Ruderpinne in der Hand.
    Vater blinkte links und bremste, wartete zwei entgegenkommende Autos ab, kreuzte anschließend die Straße und erreichte den letzten Anstieg zu unserem Haus. Auf unserer Straße spielten Leif Tore, Rolf, Geir Håkon, Trond, Store-Geir, Geir und Kent Arne Fußball. Als wir an ihnen vorbei in unsere Einfahrt fuhren, schauten sie zu uns hinüber.
    Als ich ausstieg, hob ich grüßend die Hand.
    »Spielst du mit?«, rief Kent Arne.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wir essen jetzt.«
    Auf dem Weg zum Haus, als die Kinder auf der Straße uns nicht mehr sahen, griff Vater nach meiner Hand.
    »Lass mal sehen«, sagte er. »Die Warzen sind noch nicht weg?«
    »Nein«, antwortete ich.
    Er ließ die Hand wieder los.
    »Weißt du, wie du sie loswerden kannst?«
    »Nein?«
    »Dann werde ich es dir erzählen. Ich kenne da nämlich eine bewährte Methode. Komm nachher in die Küche, dann erzähle ich dir davon. Du willst sie doch loswerden?«
    »Ja, klar.«
    Als ich nach oben kam, warf ich als Erstes die Hose und den Pullover in den Wäschekorb und zog die Sachen vom Morgen an. Dann stellte ich die Kassette mit dem Cover nach vorne an die Wand gelehnt auf den Schreibtisch, so dass ich das Bild von jedem Punkt im Zimmer aus sehen konnte, bevor ich in die Küche ging, wo Vater mit einer kleinen Schüssel Krabben vor sich saß. Auf dem Herd köchelte der Milchreis, Mutter war im Wohnzimmer und goss die Blumen.
    »Wir schaffen es noch vor dem Essen«, meinte Vater. »Es ist fast so etwas wie ein Zaubertrick. Meine Großmutter hat ihn bei mir angewandt, als ich klein war. Und es hat funktioniert. Ich hatte eine Menge Warzen an den Händen. Ein paar Tage später waren sie verschwunden.«
    »Was hat sie getan?«
    »Warte es ab«, sagte er, stand auf, öffnete den Kühlschrank und holte eine weiße Packung heraus, die er auf den Tisch legte und öffnete. Sie enthielt Speck.
    »Als Erstes werde ich deine Finger mit Speck einreiben. Anschließend gehen wir zwei in den Garten und vergraben den Speck. Dann sind die Warzen in ein paar Tagen verschwunden.«
    »Wirklich?«
    »Ja! Das ist ja gerade so seltsam! Aber sie verschwinden wirklich. Wart’s ab! Dann mal her mit den Pfötchen.«
    Ich streckte eine Hand aus. Er nahm sie in seine, griff nach einem Stück Speck und bestrich damit sorgfältig alle Finger, den Handrücken und den Handteller.
    »Und jetzt die andere«, sagte er. Ich streckte die andere aus, und er griff nach einem neuen Stück Speck und wiederholte die Prozedur.
    »Habe ich jetzt alle eingerieben?«, fragte er.
    Ich nickte.
    »Dann gehen wir jetzt in den Garten. Hier, du musst den Speck draußen vergraben.«
    Ich folgte ihm die Treppe hinunter, zog die Stiefel an, ohne sie mit den Händen zu berühren, weil die Speckstreifen in ihnen lagen, und folgte Vater, der einen Spaten trug, um das Haus herum in den Gemüsegarten vor dem Zaun zum Wald.
    Er stach den Spaten in die Erde, presste ihn mit dem Fuß herunter und begann, ein Loch auszuheben. Nach ein, zwei Minuten hörte er auf.
    »Jetzt legst du den Speck hinein«, wies er mich an.
    Ich folgte seiner Anweisung, woraufhin er das Loch wieder mit Erde füllte und wir ins Haus zurückkehrten.
    »Kann ich mir jetzt die Hände waschen?«, fragte ich.
    »Klar«, antwortete er. »Der Speck, den wir vergraben haben, entfernt die Warzen.«
    »Und wie lange dauert das?«
    »Na ja … Eine Woche, vielleicht auch zwei. Es kommt ganz darauf an, wie stark dein Glaube ist.«
    Nach dem Essen ging ich auf die Straße hinaus. Es wurde kein Fußball mehr gespielt, aber Geir Håkon, Kent Arne und Leif Tore waren draußen geblieben und liefen abwechselnd die Mauer an der Straße

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