Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
Mal von Knie zu Knie, ehe er erneut die Kontrolle über ihn verlor.
    »Acht«, sagte ich.
    »Ja, stimmt«, bestätigte er. »Aber jetzt werde ich es dir zeigen.«
    »Ich muss los«, wandte ich ein.
    »Okay«, sagte er.
    Sein Vater, ein dicker Mann mit Brille und dichten grauen Haaren, stand am Fenster und beobachtete uns. Ich lief zum Bürgersteig auf der anderen Straßenseite, bis mir meine hässlichen Kleider plötzlich wieder einfielen, woraufhin ich langsamer wurde und wieder mit gesenktem Kopf ging.
    Als ich die Straße herunterkam, setzte Vater gerade den Wagen rückwärts aus der Einfahrt. Er winkte mich zu sich, lehnte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür.
    »Steig ein«, sagte er. »Wir fahren kurz in die Stadt.«
    »Aber ich habe so hässliche Sachen an«, entgegnete ich. »Kann ich mich vorher schnell umziehen?«
    »Unsinn«, sagte er. »Jetzt steig schon ein!«
    Ich zog den kleinen Hebel an der Seite des Sitzes hoch und wollte diesen nach vorne klappen.
    »Setz dich auf den Beifahrersitz«, meinte er.
    »Auf den Beifahrersitz?«, fragte ich.
    Das gab es sonst nie.
    »Ja«, sagte er. »Nun mach schon! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
    Ich tat, was er sagte. Als ich die Tür schloss, legte er den Gang ein und fuhr die Straße hinunter.
    »Du hast recht, du bist ein bisschen schmutzig«, meinte er, »aber wir bleiben nicht lange in der Stadt. Es macht also nichts.«
    Ich nestelte am Sicherheitsgurt herum und bekam nichts mit, bis er eingerastet war und wir auf die Brücke fuhren.
    »Ich will zum Fischmarkt«, sagte er. »Und danach ins Plattengeschäft. Möchtest du mitkommen?«
    »Ja«, antwortete ich.
    Er hatte nur eine Hand am Lenkrad. Die andere lag auf dem Schalthebel, und zwischen seinen Fingern hing eine qualmende Zigarette. Er fuhr wie immer schnell.
    Lange blieben wir stumm.
    Zur Linken lag Vindholmen, die Werft mit ihren riesigen, waranähnlichen Kränen und der Kunststoffhalle. Der Parkplatz vor ihr war knapp halb voll. Gleich davor schwamm im Sund eine riesige Plattform. Es war eine Condeep-Plattform, die in der nächsten Woche hinausgeschleppt werden sollte.
    Als wir durch den kurzen Tunnel gefahren waren und uns Songe näherten, warf er mir einen Blick zu.
    »Bist du heute mit Geir unterwegs gewesen?«, erkundigte er sich.
    »Nein«, antwortete ich. »Sie sind in der Stadt.«
    »Wer weiß, vielleicht treffen wir sie ja«, sagte er.
    Dann wurde es wieder still.
    Das quälte mich, er war so gut gelaunt und hatte es nicht verdient, dass ich nichts sagte. Aber was sollte ich denn sagen?
    Nach einer Weile hatte ich eine Idee.
    »Wo willst du parken?«
    Er sah mich an.
    »Wir finden schon einen Parkplatz«, versicherte er mir.
    »Oben am Schießplatz vielleicht? Da findet man samstags immer einen Platz.«
    »Den nehme ich nur, wenn es gar nicht anders geht«, sagte er.
    Er fand einen Platz auf Tyholmen und ging anschließend mit großen Schritten zwischen den hohen Holzhäusern, so dass ich traben musste, um nicht hinterherzuhinken. Ich schämte mich für meine hässlichen Kleider, in denen ich aussah wie ein Idiot, und musterte aufmerksam die Leute, an denen wir vorbeikamen, um zu sehen, ob sie mich anstarrten oder auslachten.
    In der Fischhalle ließ Vater den Blick über die verglaste Verkaufstheke schweifen und wartete darauf, an die Reihe zu kommen.
    »Wir kaufen ein paar Krabben, meinst du nicht auch?«, sagte er.
    Ich nickte.
    »Und vielleicht auch noch den Kabeljau da?«
    Dazu sagte ich nichts.
    Er grinste und sah mich an.
    »Ich weiß, dass du keinen Kabeljau magst. Aber er ist gesund. Wenn du groß bist, wirst du ihn mögen.«
    »Das bezweifle ich sehr«, erwiderte ich.
    Ich wollte mich ihm öffnen und reden und Geschichten erzählen, wie ich es bei meiner Mutter tat, aber bei ihm konnte man damit nicht einfach so anfangen. Dennoch war es mir wichtig, dass er begriff, wie sehr ich mich darüber freute, dass er mich mitgenommen hatte.
    Als er an der Reihe war und der Verkäuferin zeigte, was er haben wollte, starrte ihn eine der anderen Frauen an. Als sie merkte, dass ich sie beobachtete, senkte sie den Blick und fuhr fort, den Fisch einzupacken, der vor ihr auf der Theke lag. Irgendetwas an Vater in diesem Moment, im Gedränge vor der Theke, als er auf die Waren zeigte und redete, ließ mich denken, dass er alles, was ihn umgab, abschütteln wollte. Es war nicht sein Aussehen, das vom Bart geprägte Gesicht, die hellblauen Augen, seine irgendwie leicht verzerrten Lippen,

Weitere Kostenlose Bücher