Spielen: Roman (German Edition)
harten, ärgerlichen Blick.
»DESHALB kannst du nun wirklich nicht weinen!«, sagte er. »Ein BISSCHEN musst du schon aushalten!«
Daraufhin brach ich erst recht in Tränen aus.
Es war ein großes Problem, dass ich so schnell weinte. Wenn jemand mit mir schimpfte oder mich zurechtwies oder wenn ich erwartete, dass jemand es tun würde, brach ich unweigerlich in Tränen aus. Meistens war das Vater, bei ihm weinte ich schon, wenn er nur die Stimme hob, obwohl ich wusste, dass es kaum etwas gab, was er mehr hasste, aber ich konnte nichts dagegen tun. Hob er seine Stimme, und das tat er oft, begann ich zu weinen. Bei meiner Mutter weinte ich nie. In meiner gesamten langen Kindheit und Jugend passierte es nur zwei Mal, und beide Vorfälle fielen in das Frühjahr, in dem ich anfing, Fußball zu spielen. Die erste Episode war am erschütterndsten.
Ich war mit einer ganzen Clique im Wald gewesen, und wir hatten in einer Art Kreis zusammengestanden, Yngve, Edmund aus seiner Klasse und Dag Lothar, Steinar, Leif Tore und Rolf. Wir unterhielten uns. Von Ubekilen schallte Möwengeschrei zu uns herauf, und der Himmel war immer noch hell, auch wenn die Dunkelheit über den Erdboden und unter den Bäumen näher kroch. Es ging um die Schule und um die Lehrer, um Schule schwänzen, sitzenbleiben und die nullte Stunde. Dann wurde über jemanden in Yngves Klasse geredet, der sehr gut in der Schule war. Ich hatte lange einfach dabeigestanden, zugehört und war froh gewesen, mit den größeren Jungen zusammen sein zu dürfen, aber dann entstand plötzlich eine Lücke, in die ich schlüpfen konnte.
»In meiner Klasse bin ich der Beste«, verkündete ich. »Jedenfalls in Lesen und Schreiben und Gesellschafts- und Naturkunde. Und in Heimatkunde.«
Yngve sah mich an.
»Gib nicht so an, Karl Ove«, sagte er.
»Ich gebe nicht an, es stimmt doch!«, entgegnete ich. »Daran gibt es nichts zu rütteln! Ich habe lesen gelernt, als ich fünf war, vor allen anderen in meiner Klasse. Jetzt lese ich fließend. Edmund, zum Beispiel, ist vier Jahre älter als ich und kann überhaupt nicht lesen! Das hast du selbst gesagt! Das bedeutet, dass ich schlauer bin als er.«
»Jetzt halt endlich die Klappe und hör auf, so anzugeben«, sagte Yngve.
»Aber es stimmt doch«, beharrte ich. »Stimmt es nicht, Edmund? Es stimmt doch, dass du nicht lesen kannst? Dass du Förderunterricht bekommst? Deine Schwester geht in meine Klasse. Sie kann auch nicht lesen. Jedenfalls nur ein bisschen. Das ist doch nicht gelogen, oder?«
Daraufhin traten seltsamerweise Tränen in Edmunds Augen, und er drehte sich mit einem Ruck um und ging.
»Was tust du denn da?«, fuhr Yngve mich an.
»Aber es ist doch wahr«, sagte ich. »Ich bin in meiner Klasse der Beste, und er ist in seiner der Schlechteste.«
»Geh nach Hause«, befahl Yngve mir. »Sofort. Du darfst nicht mehr bei uns bleiben.«
»Du hast mir gar nichts zu sagen«, entgegnete ich.
»Jetzt halt endlich die Klappe und geh nach Hause!«, fauchte er, legte die Hände auf meine Schultern und stieß mich fort.
»Ja, ja, schon gut«, sagte ich und ging den Hügel hinauf, überquerte die Straße, schob mich zur Tür herein, zog Jacke und Schuhe aus. Was ich gesagt hatte, war doch wahr gewesen, warum hatte er mich deshalb gestoßen?
Als ich mich aufs Bett legte und las, hatte ich Tränen in den Augen, es war ungerecht, es stimmte, was ich gesagt hatte, es war ungerecht, einfach ungerecht.
Mutter kam von der Arbeit, kochte Tee und bereitete das Abendessen vor. Yngve war noch draußen, so dass wir nur zu zweit aßen. Sie fragte mich, ob ich geweint hätte, ich antwortete ja, sie wollte wissen warum, ich erklärte, Yngve habe mich gestoßen, sie meinte, sie werde ihn darauf ansprechen. Ich zeigte ihr einen Brief, den ich an Großvater geschrieben hatte, sie meinte, darüber werde er sich sicher sehr freuen, und gab mir einen Umschlag. Ich legte den Brief hinein, sie schrieb den Namen und die Adresse auf das Kuvert und versprach mir, ihn am nächsten Tag in den Briefkasten zu werfen. Als das getan war, ging ich in mein Zimmer und legte mich hin. Während ich las, hörte ich Yngve nach Hause kommen, seine Schritte auf der Treppe und in die Küche, in der meine Mutter saß. Jetzt würde sie ihm sagen, dass er mich nicht stoßen und mir nicht befehlen durfte, die Klappe zu halten, dachte ich auf dem Bett liegend und sah Yngves gesenkten Kopf vor mir. Dann hörte ich ihre Stimmen und Schritte im Flur, und meine
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