Spielen: Roman (German Edition)
Fußball zu spielen, wie ich und einen ganzen langen Nachmittag zu kicken, und sich unbändig nach mehr zu sehnen, wenn sich die Dunkelheit herabsenkte und alle nach Hause gingen, war ihm vollkommen fremd. Außerdem war er kein sonderlich guter Schüler. Er las schlecht, verrechnete sich häufig, konnte nur selten etwas wiedergeben, was er in der Stunde gelesen oder gehört hatte, kam aber trotzdem gut zurecht, denn der Fußball oder die Schule waren ihm einfach nicht so wichtig. Er hatte ein Talent dafür, andere zu imitieren, und scharte in der Schule mittlerweile ganze Gruppen um sich, die ihn hören wollten. Das gefiel ihm, das Lachen der anderen ließ ihn an manchen Tagen immer weiter gehen, immer kühner werden, als wäre es eine Art Treibstoff, aber selbst davon war er nicht abhängig. Irgendwie hatte er seine kleinen, ganz persönlichen Werte, zum Beispiel das Zeichnen. Manchmal blieb er den ganzen Tag in seinem Zimmer und zeichnete. Oder er baute Modellflugzeuge, was er auch gerne tat. Sein schallendes Lachen wurde manchmal fast hysterisch. Er liebte es, einen fahren zu lassen, vielleicht sogar mehr als alles andere, jedenfalls experimentierte er viel damit und redete oft darüber.
Dass er eine ältere Schwester namens Gro hatte, führte möglicherweise dazu, dass er sich prinzipiell nicht so zur Welt der Mädchen hingezogen fühlte wie ich, aber auf die Idee eines Liebesbriefs ließ er sich dennoch sofort ein. Ich sollte den Brief schreiben, und er würde dazu etwas zeichnen. Die Zeichnung zeigte einen Jungen, der auf einem Herzen herumtrampelte, und zwei andere Jungen, die dahinter standen und zusahen. Darunter schrieb ich mit roter Tinte Eivind bricht uns das Herz . Der eigentliche Brief bestand aus fünf Zeilen.
Liebe Anne Lisbet
Unsere Herzen sind gebrochen
Komm zurück zu uns
Hörst du
Wir lieben dich so sehr
Zeichnung und Brief konnten wir ihr nicht überreichen, da uns bewusst war, dass sie beides anderen würde zeigen können, vielleicht sogar jemandem in der Schule, und damit hätten wir uns vor aller Augen lächerlich gemacht. Deshalb beschlossen wir, ihn ihr stattdessen zu zeigen . Den Brief und die Zeichnung zusammengerollt wie zwei Traktate in den Händen haltend, gingen wir zu ihr. Von Frau Hjellen aus den felsigen Hügel hinauf und unter ihrem Fenster auf das Grundstück. Wir warfen Kiesel gegen die Scheibe, und sie tauchte auf. Zunächst hielten wir ihr Zeichnung und Brief hin, worauf sie uns anlächelte, dann rissen wir beides in kleine Fetzen, trampelten auf ihnen herum und gingen davon. Nun wusste sie jedenfalls, wie wir uns fühlten. Nun lag es in ihren Händen.
Geir blieb an der Kreuzung stehen.
»Ich gehe noch kurz zu Vemund«, meinte er. »Kommst du mit?«
Ich schüttelte den Kopf. Auf dem Weg die Straße hinunter überlegte ich, dass ich auch einen neuen Spielkameraden besuchen sollte. Dag Magne vielleicht? Aber das würde bloß seltsam wirken, deshalb ging ich lieber nach Hause. Ich legte mich aufs Bett und las eine Weile, bis Yngve hereinkam und wissen wollte, ob ich Lust hätte, mit ihm auf der Straße Fußball zu spielen. Das hatte ich, denn für mich gab es nichts Schöneres, als etwas zusammen mit Yngve tun zu dürfen. Meistens blieben wir im Haus, spielten irgendein Spiel oder hörten gemeinsam Musik, während wir draußen getrennte Wege gingen und er mit seinen und ich mit meinen Freunden zusammen war, mit Ausnahme der Ferien, in denen wir schwimmen gingen und Fußball, Tischtennis oder Federball spielten, und bei Gelegenheiten wie dieser, wenn er sich langweilte und außer mir gerade niemand in der Nähe war.
Mehr als eine Stunde standen wir dort und traten den Ball zwischen uns hin und her. Eine Zeitlang schoss Yngve, und ich trainierte Abstöße. Dann fuhren wir fort, uns den Ball zuzuspielen.
Wie durch ein Wunder verschwanden meine Warzen. Sie wurden immer kleiner und waren schließlich, etwa drei Wochen später, vollständig verschwunden. Die Haut auf meinen Händen war so glatt, dass es mir binnen kürzester Zeit schwerfiel, mir überhaupt vorzustellen, dass es jemals anders gewesen war.
Anne Lisbet kam allerdings nicht zurück. Hatte sie früher vor Freude aufgeschrien, wenn ich ihr die Mütze vom Kopf zupfte oder an ihrem Schal zog oder ihr von hinten mit der Hand die Augen zuhielt, reagierte sie jetzt gereizt oder sogar wütend. Es tat weh, sie und Solveig zusammen mit Eivind und Geir B. zum Bus kommen zu sehen, und jeden Abend vor dem Einschlafen
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