Spielen: Roman (German Edition)
einen von Hummel oder von Admiral. Der Anzug, den sie mitbrachte, hatte jedoch gar kein Markenzeichen. Er war braun mit weißen Streifen, und obwohl ich die Farbe hässlich fand, war sie nicht einmal das Schlimmste an ihm. Am schlimmsten war vielmehr, dass der Stoff nicht glänzte, sondern matt war, fast uneben, und nicht locker um den Körper hing, sondern hauteng seiner Form folgte, so dass mein Po noch auffälliger abstand als sonst. Wenn ich diesen Trainingsanzug anzog, war es das Einzige, woran ich denken konnte. Selbst wenn ich auf den Platz lief und das Training begann, war es das Einzige, was mir durch den Kopf ging. Mein Po steht ab wie ein Ballon, dachte ich und lief dem Ball hinterher. Mein Trainingsanzug ist braun und hässlich, dachte ich. Ich sehe darin aus wie ein Idiot, dachte ich. Idiot, Idiot, Idiot.
Mutter sagte ich das allerdings nie. Als ich ihn bekam, tat ich so, als würde ich mich riesig freuen, denn er hatte viel Geld gekostet, sie war in der Stadt unterwegs gewesen und hatte für mich danach gesucht, und wenn ich ihr mitteilte, dass er mir nicht gefiel, würde sie erstens denken, dass ich undankbar war, und zweitens traurig werden, weil sie etwas falsch gemacht hatte. Und das wollte ich natürlich nicht. Oh, der ist aber schön, sagte ich deshalb. Wirklich ganz toll. Genau so einen habe ich mir immer schon gewünscht.
Das Eigenartige am Fußballtraining in jenem Frühjahr war, dass es einen riesigen Unterschied zwischen dem Menschen gab, der ich innerlich war, und dem Menschen, der ich auf dem Platz war. Innerlich war ich randvoll mit Gedanken und Gefühlen darüber, dass ich Tore schießen und dribbeln würde, über meinen grauenvollen Trainingsanzug und den großen Po und im Anschluss daran über meine vorstehenden Zähne – während ich auf dem Platz im Prinzip vollkommen unsichtbar war. Es machten so viele Kinder mit, ein riesiger Haufen von Armen, Beinen und Köpfen, der dem Ball folgte wie ein Schwarm Mücken, und die Trainer kannten lediglich von einer Handvoll die Namen, wahrscheinlich von den Kindern aus ihrer Nachbarschaft, von ihren Söhnen und deren Freunden. Das erste Mal löste ich mich aus der Menge, als jemand eines Abends den Ball in den Wald hinter dem Tor geschossen hatte, wo er zunächst verschwunden blieb, so dass alle aufgefordert wurden, nach ihm Ausschau zu halten. Es folgten zwei oder drei Minuten intensiver Suche. Keiner fand den Ball. Dann sah ich ihn plötzlich vor mir, weiß und schön glänzte er in der Dämmerung unter einem Strauch. Ich wusste, dass ich die Chance hatte, ich wusste, dass ich »Ich habe ihn gefunden!« rufen und ihn auf den Platz mitnehmen sollte, damit mir die rechtmäßige Ehre zuteilwurde, aber das traute ich mich nicht. Stattdessen schoss ich ihn einfach auf den Platz. »Da ist der Ball!«, rief jemand. »Wer hat ihn gefunden?«, rief ein anderer. Ich kam mit allen anderen aus dem Wald und sagte nichts, so dass es ein Mysterium blieb.
Das zweite Mal war eine ganz ähnliche Situation, die nur noch vorteilhafter für mich war. Ich lief in einer Spielertraube etwa zehn, zwölf Meter vom Tor entfernt, der Ball landete dort, das Ganze war ein Gewirr aus Gliedmaßen, und als der Ball plötzlich einen Meter vor mir frei lag, trat ich ihn mit aller Kraft, und er sauste flach am Pfosten vorbei ins Tor.
»Tor!«, riefen die anderen.
»Wer hat geschossen?«
Ich sagte nichts, tat nichts, stand ganz still.
»Wer hat das Tor geschossen? Keiner?«, rief unser Trainer. »Na schön! Dann spielen wir weiter!«
Vielleicht dachten sie, es wäre ein Eigentor gewesen und dass deshalb keiner zugeben wollte, dass er es geschossen hatte. Aber obwohl ich mich nicht traute zu sagen, dass ich getroffen hatte, war es doch mein allererstes Tor, und der Gedanke daran strahlte während des ganzen restlichen Trainings und auf dem Heimweg im Auto in mir. Als ich zum Wagen lief, in dem Mutter auf mich wartete, erzählte ich ihr als Erstes, dass ich ins Tor getroffen hatte.
»Ich habe ein Tor geschossen!«, rief ich.
»Toll«, erwiderte Mutter.
Als wir nach Hause kamen und ich mich an den Küchentisch setzte, um zu Abend zu essen, wiederholte ich es.
»Ich habe heute ein Tor geschossen!«
»Seid ihr gegen eine andere Mannschaft angetreten?«, fragte Yngve.
»Nein«, antwortete ich. »Damit haben wir noch nicht angefangen. Es war im Training.«
»Dann zählt es nicht«, erklärte er.
Zwei Tränen kullerten meine Wangen herab. Vater betrachtete mich mit seinem
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