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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Ding hier ausziehen und duschen, damit ich nicht nach Kuhstall rieche, wenn wir so vornehmen Besuch haben«, sagte Kjartan. »Ich nehme an, drinnen gibt es etwas zu essen für euch.«
    Selbst vor dem Haus konnte ich die Treppenstufen knarren hören, als er zum Badezimmer im ersten Stock hinaufging. Die Treppen knarrten hier so!
    Im Wohnzimmer erwartete uns tatsächlich ein gedeckter Tisch, auf dem ein Stapel noch warmer Pfannkuchen und eine Platte mit Kartoffelfladen und darüber hinaus Brot, Käse und Wurst standen. Mutter ging zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her. Obwohl sie mit sechzehn ausgezogen war, mit zwanzig Vater geheiratet, dann Yngve zur Welt gebracht und seither mit ihrer eigenen Familie zusammengelebt hatte, wurde sie nach unserer Ankunft augenblicklich zu einem Teil des Hauses. Sogar ihre Art zu sprechen veränderte sich und ähnelte noch mehr als sonst der Art, wie ihre Eltern redeten. Für Vater galt das Gegenteil, er ging dort immer fast verloren. Wenn er sich mit Großvater unterhielt, der für sein Leben gern Geschichten erzählte und für jeden Anlass eine häufig selbst erlebte Anekdote auf Lager hatte, bekam Vater dieses formelle Auftreten, das ihn so fremd erscheinen ließ, obwohl ich es durchaus kannte, denn so verhielt er sich immer, wenn er mit anderen Eltern und Kollegen sprach. Aber Großvater war doch nicht auf diese Art höflich, er war ganz er selbst, warum saß Vater dann also da und nickte und sagte, Ja sicher, aha, was du nicht sagst, mhm, mhm? Auch Mutter verhielt sich anders, sie lachte und redete mehr, und insgesamt wirkten sich diese Veränderungen positiv auf uns aus, um nicht zu sagen, sehr positiv: Vater verschwand, Mutter war lebhafter. Außerdem gab es in diesem Haus keine Regeln wie in jenem, aus dem wir kamen, hier konnten wir tun und lassen, was wir wollten. Kippte einer von uns ein Milchglas um, war das keine Katastrophe, denn Großmutter und Großvater war bewusst, dass so etwas schon einmal vorkommen konnte, wir durften dort sogar die Beine auf den Tisch legen, nun ja, natürlich nur, wenn Vater nicht im Raum war, und auf der Couch, braun mit orangen und beigen Streifen, saßen wir so zusammengesunken, wie wir wollten, oder lagen sogar manchmal auf ihr. Außerdem beteiligten wir uns im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten an allen Arbeiten, die auf dem Hof anfielen. Wir waren nicht unerwünscht. Im Gegenteil, es wurde von uns sogar erwartet, dass wir in dem Maße mithalfen, in dem wir dazu fähig waren. Bei der Heuernte Gras zusammenrechen, es auf die Heureiter legen, Eier holen, Dung in die Mistgrube schaufeln, vor den Mahlzeiten den Tisch decken, rote und schwarze Johannisbeeren sowie Stachelbeeren pflücken, wenn sie reif waren. Die Türen standen hier immer offen, und Menschen traten ein, ohne vorher anzuklopfen, sie riefen nur in den Flur hinein und standen im nächsten Moment im Raum, setzten sich wie zu Hause auf einen Stuhl und tranken mit Großvater Kaffee, der wenig Aufhebens um ihre Ankunft machte, sondern das Gespräch aufnahm, als wäre es bloß Sekunden vorher unterbrochen worden. Diese Menschen, die in das Haus kamen, waren seltsam, vor allem einer von ihnen, ein dickbäuchiger, etwas schlampig gekleideter und leicht übelriechender Mann mit hoher Stimme, der gegen Abend häufig auf seinem Moped in Schlangenlinien den Hügel heraufkam. Er sprach einen so breiten Dialekt, dass ich kaum die Hälfte von dem verstand, was er sagte. Großvater strahlte, wenn er eintrat, aber ob er das tat, weil er diesen Gast besonders mochte, war schwer zu sagen, da ihn das Eintreffen fast aller Menschen strahlen ließ. Dagegen war ich mir ganz sicher, dass Großvater uns gernhatte, obwohl ihm dieser Gedanke sicher niemals durch den Kopf gegangen wäre; es gab uns, das reichte ihm. Bei Großmutter war das sicherlich anders, zumindest schien ihr Interesse an allem, was wir ihr erzählten, darauf hinzudeuten.
    Mutter stand still und starrte auf den Tisch, wahrscheinlich um zu prüfen, ob alles da war. Großmutter hob in der Küche den Kaffeekessel vom Herd, und das stetig lauter werdende Rauschen verstummte mit einem kurzen Seufzer. Vater stellte in dem Zimmer direkt über unseren Köpfen das Gepäck ab. Großvater trat in den Flur, nachdem er im Keller seinen Imkeranzug aufgehängt hatte.
    »Wie ich sehe, wächst das norwegische Volk!«, rief er, als er uns sah. Er kam zu mir und tätschelte meinen Kopf, als wäre ich eine Art Hund. Anschließend tätschelte er

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