Spielen: Roman (German Edition)
Yngves Kopf und setzte sich, als Großmutter mit dem Kaffeekessel in der Hand hereinkam und Vater und Kjartan beide auf der Treppe waren.
Großvater war klein, sein Gesicht war rund, und abgesehen von einem dünnen Kranz weißer Haare hatte er eine Glatze. In seinen Mundwinkeln hing oft ein wenig brauner Tabaksaft. Die Augen hinter seiner Brille waren stechend, verwandelten sich allerdings völlig, sobald er die Brille auszog: Dann ähnelten sie zwei kleinen Kindern, die gerade aufgewacht waren.
»Es sieht ganz so aus, als wäre ich rein zufällig genau im richtigen Moment gekommen«, erklärte er und legte eine Scheibe Brot auf seinen Teller.
»Wir haben dich im Keller gehört«, meinte Mutter. »Ganz so zufällig war es also nicht.«
Sie sah mich an.
»Weißt du noch, als wir dich schon zehn Minuten, bevor du gekommen bist, im Flur gehört haben?«
Ich nickte. Vater und Kjartan nahmen gegenüber voneinander am Tisch Platz. Großmutter goss Kaffee in die Tassen.
Großvater, der mit dem Messer Butter auf seiner Brotscheibe verstrich, blickte auf.
»Ihr habt ihn gehört, bevor er gekommen ist?«
»Ja, seltsam, nicht?«, sagte Mutter.
»Aber das ist ja eine Vorahnung gewesen«, sagte Großvater und sah mich an. »Das bedeutet, dass dir ein langes Leben vergönnt sein wird.«
»Bedeutet es das?«, fragte Mutter und lachte.
»Oh ja«, antwortete Großvater.
»Das glaubst du ja wohl hoffentlich nicht wirklich?«, fragte Vater.
»Ihr habt ihn gehört, als er noch gar nicht da war?«, sagte Großvater. »Das ist doch bemerkenswert. Soll es da etwa noch bemerkenswerter sein, dass es auch etwas bedeutet?«
»Ach, Unsinn«, warf Kjartan ein. »Du bist auf deine alten Tage ganz schön abergläubisch geworden, Johannes.«
Ich beobachtete Großmutter. Ihre Hände zitterten, und wenn sie einschenken wollte, wippte der Kaffeekessel so heftig auf und ab, dass sie es nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft schaffte, den Kaffee in die Tasse zu gießen, ohne ihn zu verschütten. Auch Mutter sah sie an und wollte schon aufstehen, wahrscheinlich um ihr die Arbeit abzunehmen, ließ sich dann aber doch auf ihren Platz zurückfallen und streckte stattdessen die Hand nach dem Brotkorb aus. Es tat weh, Großmutter zuzusehen, denn es ging alles so langsam, und schon landete Kaffee auf der Untertasse, aber gleichzeitig ließ mich das Ungeheuerliche daran, dass sie, ein erwachsener Mensch, unfähig war, etwas so Simples zu bewältigen, wie Kaffee einzugießen, ohne dabei zu schlabbern, und der ungewöhnliche Anblick eines Menschen, dessen Hände ununterbrochen zitterten, ganz von selbst, ihre Bewegungen mit großem Interesse verfolgen.
Mutter legte ihre Hand auf meine.
»Möchtest du einen Pfannkuchen?«, fragte sie.
Ich nickte. Sie streckte sich nach einem und legte ihn auf meinen Teller. Ich bestrich ihn dick mit Butter und streute anschließend Zucker darauf. Mutter hob die Karaffe mit Milch und füllte mein Glas. Die Milch kam direkt aus dem Kuhstall, sie war gelblich und warm, und es schwammen winzige Klümpchen darin. Ich sah Mutter an. Warum hatte sie mir Milch eingeschenkt? Diese Milch würde ich doch niemals trinken können, sie war eklig, kam direkt aus der Kuh, und zwar nicht aus irgendeiner Kuh, sondern aus einer, die da draußen stand und pisste und schiss.
Ich aß meinen Pfannkuchen und nahm mir noch einen, während Vater Großvater eine Frage stellte, die dieser umständlich beantwortete. Kjartan seufzte lauter, als er es getan hätte, wenn sie unter sich gewesen wären. Entweder hatte er das Ganze schon einmal gehört oder es gefiel ihm nicht, was er hörte.
»Wir wollen dieses Jahr einen Ausflug auf den Lihesten machen«, sagte Vater.
»Ach wirklich«, erwiderte Großvater. »Tja, das ist eine gute Idee. Es ist schön da oben. Von dort aus habt ihr eine Aussicht auf sieben Pfarrbezirke.«
»Darauf freuen wir uns schon«, sagte Vater, während Mutter und Großmutter sich über eine Eiche und eine Stechpalme unterhielten, die sie im Vorjahr von Tromøya mitgenommen hatten und die nun hier wuchsen.
Ich beschloss, sie mir anzuschauen.
Vaters Blick ruhte auf mir.
»Möchtest du deine Milch nicht trinken, Karl Ove?«, fragte er. »Weißt du, die ist ganz frisch. Eine bessere Milch bekommst du nirgendwo.«
»Das weiß ich«, sagte ich.
Als ich dennoch keine Anstalten machte, sie zu trinken, fixierten mich seine Augen.
»Trink deine Milch, mein Junge«, sagte er.
»Aber sie ist ein bisschen zu warm«,
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