Spielen: Roman (German Edition)
»Dahinten?«
»Wo?«, fragte Großvater. »Ach so! Das sind Schweinswale, die sind jetzt schon seit ein paar Tagen hier. Das ist zwar eher selten, kommt aber manchmal vor. Seht sie euch gut an. Schweinswale zu sehen, bringt nämlich Glück.«
»Tatsächlich?«, fragte ich.
»Allerdings«, antwortete er.
Großvater nahm die Fische am Wasserbecken im Keller aus, der eher einer Höhle als einem Zimmer in einem Haus glich. Der Betonboden war die meiste Zeit glitschig und feucht, die Decke war so niedrig, dass Vater dort nicht aufrecht stehen konnte – was Großvater, der relativ klein war, nicht weiter kümmerte –, und die Regale an den Wänden waren mit allen möglichen Gegenständen und Werkzeugen vollgestopft, die sich im Laufe eines langen Lebens dort angesammelt hatten. Als er fertig war und die vor Kurzem noch zappelnden Fische in Plastik verpackt in der Gefriertruhe lagen, halfen wir ihm, im Regen auf dem Rasen vor dem Silo stehend, das Netz zu säubern, bis Mutter uns zum Mittagessen hereinrief.
Nach dem Essen legten sie sich immer schlafen. Vater, der schon nach einem Tag rastlos wirkte, winkte mich im Flur mit dem Zeigefinger zu sich.
»Komm mit, wir gehen was raus«, sagte er.
Ich zog Stiefel und Regenjacke an und folgte ihm über die Felder. Er ging mit raumgreifenden Schritten und schien die Landschaft mit seinen Augen in großen Zügen in sich aufzunehmen. Über dem Fichtenwald vor uns hing Nebel. Das Wasser des kleinen Waldsees schimmerte schwarz zwischen den Baumstämmen. Am anderen Ufer kam ein Traktor die Straße herab.
»Gefällt es dir hier?«, fragte Vater.
»Ja-a«, sagte ich und war mir nicht sicher, worauf er hinauswollte.
Er blieb stehen.
»Könntest du dir vorstellen, hier zu wohnen?«
»Ja-a«, sagte ich.
»Vielleicht können wir den Hof ja eines Tages übernehmen. Würde dir das gefallen?«
»Hier zu wohnen?«
»Ja. Wenn die Zeit gekommen ist, dann ist das durchaus möglich.«
Ich hatte geglaubt, dass Kjartan den Hof übernehmen würde, aber das sagte ich nicht, denn damit hätte ich ihm einen schönen Moment verdorben.
»Komm, wir schauen uns ein wenig um«, sagte er und ging weiter.
Dort wohnen?
Oh, der Gedanke war mir wirklich fremd. Es erschien mir unmöglich, Vater in diesem Haus, umgeben von diesen Dingen, zu sehen. Vater bei der Heuernte? Vater, der Gras schlug und es in ein Silo schaufelte? Vater, der Dung auf den Feldern verteilte? Vater, der im Wohnzimmer auf einem Stuhl saß und den Wetterbericht hörte?
Obwohl die Vergangenheit für mich nicht existierte, als ich damals als Kind dorthin kam, und alles dem Augenblick angehörte, ahnte ich doch ihre Gegenwart. Großvater hatte sein ganzes Leben an diesem Ort verbracht, was in irgendeiner Form das Bild prägte, das ich von ihm hatte. Aber wenn es etwas gab, worin sich Großvater als Bild und Vorstellung bündelte, dann nicht in allem, was er im Laufe seines Lebens getan hatte, worüber ich im Übrigen herzlich wenig wusste, und für das wenige, was ich wusste, fehlte mir jede Vergleichsmöglichkeit, nein, was meinen Großvater in meinen Augen wie nichts anderes verkörperte, war ein einziges Objekt, sein kleiner Zweitaktmotortraktor, den er für alles Mögliche benutzte. Dieser Traktor bildete Großvaters Essenz. Er war rot, ein wenig rostig und wurde angelassen, indem man mit dem Fuß einen Metallhebel herabtrat, hatte eine kleine Schaltung, einen Hebel mit einer schwarzen Kugel auf dem einen Griff, während das Gas auf dem anderen war. Er benutzte ihn bei der Heuernte, bei der er hinter ihm herging, nachdem er vorne eine riesengroße, scherenartige Vorrichtung montiert hatte, die das Gras senste. Darüber hinaus gebrauchte er ihn, um schwere Gegenstände zu transportieren; dann hängte er einen Wagen an den Traktor, der einen grünen Sitz hatte, auf dem er saß und das Gefährt steuerte, das auf einmal fast zu einem Lastwagen geworden war. Es gab nicht viel, was mir mehr bedeutete, als ihn zu begleiten, hinten auf der Ladefläche zu sitzen und beispielsweise zu den zwei Geschäften in Vågen zu fahren, wo er Kanister mit Ameisensäure oder Säcke mit Futter oder Kunstdünger holen wollte. Das Gefährt kam so langsam voran, dass man nebenhergehen konnte, aber das spielte keine Rolle, das Tempo war nicht wichtig, sondern alles andere; das Knattern des Motors, die Abgase, die so gut rochen und sich über der Straße verteilten, das Gefühl von Freiheit, wenn man auf der Ladefläche saß und sich mal auf der
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